Zwei dunkle Limousinen mit getönten Scheiben rauschen in die Hotelvorfahrt,
stoppen exakt am Ansatz des roten Teppichs. Der Wagenschlag wird geöffnet, und
heraus springt ein rüstiger Rentner, der aussieht wie Bill Clinton. Aus dem
zweiten Wagen klettert eine Familie, die den Beinahe-Clinton beobachtet und sich
daran freut, wie enthusiastisch er dem wartenden Herren im Nadelstreifenanzug
auf der Teppichkante die Hand schüttelt. Zwei, drei Fotoapparate klicken.
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Doch der Schein trügt: Der freudig erregte Clinton dieses Nachmittags ist in
Wirklichkeit kein berühmter Politiker, sondern ein Rentner aus dem Schwarzwald,
und die neugierigen Leute aus dem zweiten Auto sind Tochter, Schwiegersohn und
Enkel. Sie haben ihrem Familien-Patriarchen zum Geburtstag geschenkt, was im
Hotel-Jargon etwas gestelzt heißt: ein Wochenende in der Suite eines
Sternehotels, dazu die komplette Vorzugsbehandlung wie ein Staatsgast, wie ein
Monarch auf Stippvisite. Nur die Bodyguards vor der Zimmertür fehlen – aber auch
die wären buchbar gewesen.
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Der Grundsatz lautet: Alles, was das Hotel leisten kann, ist käuflich und
alles, was machbar ist, wird erfüllt. Die Berechnung allerdings ist kompliziert
und variiert von Hotel zu Hotel – jeweils abhängig von der besonderen Situation,
vom Umfang der Leistung, von der Kategorie des gebuchten Zimmers und der Frage,
ob es sich womöglich ohnehin um einen Stammgast des Hauses handelt. Dann würde
manches Extra nicht einmal auf der Rechnung auftauchen, sondern unter
„Kundenpflege“ verbucht werden.
In der Lobby angekommen, geleitet ein hochrangiger Angestellter den
Schwarzwald-Clinton auf seine Suite, wo bereits Champagner und frische Erdbeeren
bereitstehen. Das Zimmermädchen fährt Petit-Fours auf, und nebenan hat der
Butler bereits ein Bad eingelassen, einen Strauß Rosen an den Beckenrand
gestellt und Musik von Chopin aufgelegt. Die hochzufriedene Familie fotografiert
immer mal wieder und zieht ein paar Türen weiter in ein Standardzimmer ein,
während der Gelegenheits-Clinton sich aufs Designer-Sofa fallen lässt und tief
durchatmet: was für ein Gefühl!
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In vielen Hotels wächst sich die Idee der buchbaren VIP-Treatments bereits
zum Trend aus. In der Regel bestellen Familienangehörige des Gastes im Vorfeld
eine besondere Behandlung, um ihn zu überraschen. Teilweise hat die Käuflichkeit
allerdings Grenzen. Nicht in jedem Hotel wird dem VIP auch der rote Teppich
ausgerollt, stattdessen meist einen blauen, auf dem sich durchaus jeder wie ein VIP
fühlen kann. Der rote Teppich wird in meisten Hotels ausschließlich bei
Staatsbesuchen ausgerollt. Die Luxusherbergen rund um die Welt haben die
Sehnsucht vieler Gäste nach Promi-Behandlung inzwischen als Gewinn bringendes
Extra entdeckt und sind offen für allerlei Sonderwünsche.
Dabei haben die Gäste, die sich den VIP-Status erkaufen, oft einen Vorteil,
über den in den Hotels nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen wird: Sie sind
meistens erheblich unkomplizierter als die „echten“ Promis – als zum Beispiel
der Popstar, der in einem Six-Continents-Hotel die Spiegel entfernen oder der
Musiker, der alle Fenster seiner Suite mit dunkler Folie abkleben ließ, da zu
viel Licht dem Teint schade. Offiziell in Broschüren schreibt kein
Fünf-Sterne-Hotel seine VIP-Packages aus. Das würde der Idee sofort wieder das
Besondere nehmen.
Preise für Promi-Vorzugsbehandlungen müssen individuell
erfragt, Kostenvoranschläge eingeholt werden.
Alternativ gibt es einen langwierigen Weg, sich das VIP-Treatment zu
verdienen und hinterher nicht einmal dafür zahlen zu müssen: Top-Hotels führen genau
Buch über ihre Stammgäste, und wer sich als regelmäßiger Wiederholer entpuppt
hat, soll durch kleine Aufmerksamkeiten noch enger ans Haus gebunden werden.
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