Die Lederhose, insbesondere die "alpine Lederhose" ist entgegen der
landläufigen Meinung keine speziell bayerische oder tirolische
Beinkleidung! Vielmehr war sie seit frühester Zeit Bestandteil der Männerkleidung, insbesondere innerhalb rauher Klimazonen. Aber
eines ist sicher: Sie hat besonders in Bayern und Tirol, als Kleidungsstück,
wenn auch in Form einer Tracht, überlebt.
Nachweisbar wird die Lederhose - oder besser erst einmal das Leder - als der
Mensch begann den Boden zu kultivieren, denn wegen des aufwändigen
Herstellungsprozesses setzt Leder eine sesshafte Lebensweise voraus. Die
Herstellung von sämisch gegerbtem Leder ist schon seit etwa 6000 v. Chr.
bekannt. Die Rohhaut wurde zur damaligen Zeit mit natürlichen Fetten
(Fischöl) geknetet und eingerieben, wodurch die sonst entstehende Fäulnis
gestoppt wurde. Das älteste Zeugnis stammt aus Mesopotamien und ist 5000
Jahre alt.
Wahrscheinlich wurde die Lederhose von Reitervölkern in der Antike
"erfunden". Eine an den Knöcheln zusammengebundene Hose (braca) wurde von
den Kelten und Germanen getragen und später von den römischen Soldaten
übernommen. Gegenüber dem Fell weißt Leder erhebliche Vorteile auf, die
sich die Produzenten des Ausgangsstoffes schnell zu Nutze machten:
Geschmeidigkeit, große Haltbarkeit und die Fähigkeit, Schweiß schnell
aufzunehmen, prädestinierten dieses Material zur Herstellung insbesondere
bäuerlicher Arbeitskleidung.
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Die alpine Lederhose
Die Lederhose als
speziell alpenländisches Beinkleid, soll auf die "coulotte", jenes typisch männlichen
Kleidungsstücks, das die Zeit des Rokkoko prägte und noch bis ins 18.
Jahrhunderts nachweisbar war, zurückzuführen sein. Diese enge Kniehose, die
der Lederhose übrigens auch den Hosenlatz vererbte, hatte sich
in Mode und Volkskleidung im Verlauf des 18. Jahrhunderts
durchgesetzt und folgte der vorher üblichen Pluderhose. Dies zeigen um 1700
gearbeitete Altarfiguren aus Kirchen verschiedener Alpentäler: Sie zeigen
verschiedene Heilige in ledernen Kniebundhosen. Auch in manch einer erhalten gebliebenen
Weihnachtskrippe dieser Zeit, ziert dieses Beinkleid die Oberschenkel und
Knie manch eines Hirten oder Knechts.
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Tanzmeister in einer
"coulotte", 1745 |
Die "Kurze"
Neben der
langen, kniebedeckenden Lederhose entwickelte sich erst Mitte des 19.
Jahrhunderts die kniefreie Lederhose, schlicht die "Kurze" genannt. Davon
künden zahllose Fotografien und Zeichnungen, die im Rahmen der ersten
touristischen Erschließung der Alpen angefertigt wurden und die
Alpenbewohner aller Stände detailgetreu abbildeten: ob Senn, Wilderer, Bauer
oder Knecht, (fast) alle trugen die "Kurze". Von der weniger wohlhabenden
Bevölkerung wurde die Kurze sogar im Winter getragen. Um nicht zu
erfrieren, zogen die Männer lange wollene Schneestrümpfe bis über die
Oberschenkel. Sie wurden seitlich mit einem Knopf an der Hose eingehängt .
Anderswo, in Mittenwald, bedeckten die Gebirgler ihre bloßen Schenkel mit
langen weißen Unterhosen, sichtbar zwischen der Lederhose und den Strümpfen.
Die Obrigkeit und die Krachlederne
Doch der
Lederhose drohte Unheil! Durch die immer intensivere Heimsuchung der Älpler
in Form von Ausflüglern und Sommerfrischlern, nahm der schädliche Einfluss
auf diese zu. Die Gebirgler begannen, die Städter nachzuahmen, die Lederhose
als Fest- und Arbeitskleidung drohte auszusterben. Dass die Lederhose
nicht verschwunden ist, verdanken wir der Mode! In diesem Zusammenhang
ist für Österreich eine Persönlichkeit zu nennen, die entscheidend Forschung
und Volksleben beeinflusst hat: Erzherzog Johann (1782-1859). Er lebte
bürgerlich verheiratet , in einem liberalen Freundeskreis in romantisch
empfindsamer Volkstümlichkeit. Man trug sich in seinen Kreisen auch
öffentlich ein Steirerg`wand- und von solcher Anhebung der Tracht durch hohe
und höchste Herrschaften ging ein großer Prestigezuwachs aus. Auch im
dynastisch verwalteten Bayern ging die Entwicklung ähnlich vonstatten. Die
Angehörigen des bayerischen Königshauses kleideten sich trachtenmässig und
bevorzugten die lederne Hose, besonders bei den feudalen
Jagdgesellschaften. Auf diese Art demonstrierte die
Obrigkeit Volksverbundenheit und konnte zeigen, dass sie sich (zumindest auf
der Jagd) nicht von den Untertanen unterschied. Der Aufschwung hielt lange
an. Als 1920 die Salzburger Festspiele
gegründet wurden, trugen Bevölkerung, Schauspieler und Touristen
selbstverständlich Tracht und beeinflussten damit maßgeblich deren weitere
Entwicklung und Verbreitung: Die Lederhose wurde "stadtfein".
Hosenlatz und Hosenträger
Aber was wäre die
Lederhose ohne Hosenlatz und Hosenträger? Vorläufer dieser äußerst
speziellen, wohl nur der Lederhose eigenen genitalen Austrittsmöglichkeit,
war die "Braguette", jene Schamkapsel, die seit dem ausgehenden Mittelalter
in die damals engen Hosen eingearbeitet wurde.
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"Braguette" |
"Braguette"
Es liegt nahe, dass
solche befremdlichen Kleidersitten der hohen Geistlichkeit nicht verborgen
blieben. Zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges hieß es im Kufsteinerland: "Die Mannsbilder sollen recht gemachte thürlhosen tragen". Hundert
Jahre später teilten Ordensleute ihren Ordinariaten in Brixen und Salzburg befremdliches
über die Kleidersitten der Bevölkerung mit. "Vorderhalb waren sie 1,2 bis
3 und noch mehr Finger voneinander" , schrieben sie ihren Vorgesetzten.
Die prompte Antwort kam gleich in Form einer Disposition: "Mannsbilder
sollen die Hosen mit vorher ybereinander gehenden Schniz, oder läzl tragen". Selbst in den Jahren vor dem Ersten
Weltkrieg wetterte der konservative Klerus noch gegen die kurze Lederhose
und natürlich den Hosenlatz und rügte sie als "leichtfertig,
maskeradenhaft und lüstern, jedenfalls nicht für ernste Anlässe zulässig";
Träger dieser schamlosen Hose sollten zu kirchlichen Feiern nicht zugelassen
werden.
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Zu einer alpinen Lederhose,
gleichgültig welcher Länge, gehört natürlich auch ein "echter" Hosenträger,
im Fachterminus "Hosenkraxen" genannt, der mit folgenden Worten
recht sachlich definiert ist: " Zwei über die Achseln zu legende
Längsstreifen, vorne durch einen Quersattel verbunden, vierfach geknöpft.
Die Ausstattung dieser Hosenkraxen kann je nach Geldbeutel und
Geschmack sehr unterschiedlich ausfallen. Die Hosenkraxen wurden früher auch aus Stoff getragen, ja aus
Seide. Grün und rot. In Südtirol kann man das heute noch sehen. Sonst hat
sich überall das lederne Hosenhalfter durchgesetzt, schwarz, braun oder
grau, mit weißem Filz unterlegt. Im Werdenfelser Land werden sie heute grün
gefärbt, in Berchtesgaden meist braun. Von dem V-förmigen Mitteleinsatz, vorne
angeknöpft, der früher vielfach üblich war, ist man ziemlich abgekommen. Das gleich gilt für die Schnallen vorne. Beliebt ist das Einstanzen
von Hirschgeweihen in der Mitte des vorderen Quersteges, auch ein "Bildl"
von weiland König Ludwig II. trägt der Bayer gern auf der Brust" .
Die Sepplhose
Zur allgemeinen Mode
wurde die Kurze durch eine stete Ausbreitung nach Norden zwischen den beiden
Weltkriegen. Auch die Nationalsozialisten in ihrem unseligen Hang zur
Vereinnahmung, bemächtigten sich sofort des guten Stücks. Ideologisch
aufgewertet wurde sie so zu einem Symbol deutscher Heimatverbundenheit (Ein
deutscher Junge trägt Lederhosen!). Selbst die Nazielite ließ sich
volkstümlich in Lederhosen fotografieren.
In den
Wirtschaftswunderjahren der Nachkriegszeit lag die Lederhose von
Berchtesgaden bis Flensburg, von Aachen bis Berlin auf den Warentischen der
Einkaufshäuser und erreichte so breiteste Käuferschichten. Zu dieser Zeit
hatte sie ihren waren Charakter längst verloren und war zur Sepplhose
verkommen, der trivialsten Form der stolzen alpinen Lederhose. Ihren
modischen Zenit überschritten hatte sie in den sechziger Jahren, zumal ihre
Anhänger immer jünger wurden, also dort, wo die Kinder dem Geschmack
ihrer Mütter ausgeliefert sind. Die Konfektion erfand niedliche Varianten
mit aufgenähten Lederherzen als Taschen und ähnlichen Gags, und so wollten
die größeren Jungen bald nichts mehr von der Lederhose wissen.
Und was ist aus ihr geworden, der einstmals so
stolzen Lederhose? Heute findet die stilechte Lederhose, zusammen mit dem
natürlich stilechten Dirndl, ihren Fortbestand wohl nur noch auf
Folkloreabenden, Trachtenfesten, auf dem Oktoberfest oder bei Karl Moik im "Musikantenstadl"
oder ähnlich traurigen Anlässen. Aber als fester Bestandteil der
alpenländischen Alltagskleidung hat sie leider ausgedient.
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