Das Sonnenobservatorium in Goseck in Sachsen-Anhalt ist nicht
nur das älteste der Welt, es wird von Experten auch als
Meilenstein der archäologischen Forschung bezeichnet. Die 7000
Jahre alte Anlage gibt erstmals Einblicke in die geistige und
religiöse Welt der ersten Bauern Europas und soll zum
Steinzeit-Spektakel für Touristen aus aller Welt werden.
Unsere Vorfahren
beobachteten den Sternenhimmel genau. Schon um 4.800 vor
Christus wussten die Menschen, dass jedes Jahr die
Wintersonnenwende den kürzesten Tag markiert. In Goseck erbauten
sie sich einen hölzernen Steinzeitkalender, der diese Daten
fixiert. Aber wozu? Aus Jägern und Sammler waren Bauern
geworden. Um erfolgreich Ackerbau zu betreiben, mussten sie den
richtigen Zeitpunkt von Aussaat und Ernte bestimmen können.
Himmelsbeobachtung war überlebenswichtig.
Der
archäologische Sensationsfund des ältesten Sonnenobservatoriums
Europas belegt nicht nur die Jahrtausende alte Tradition der
Himmelskunde: Die 7000 Jahre alte Anlage ist nach Erkenntnissen
der Forscher auch die älteste Kultstätte in Mitteleuropa. Hier
wurde nicht nur der Lauf der Sonne bestimmt, sondern es gab auch
ein gesellschaftliches Leben mit Versammlungen und Ritualen.
Das Observatorium
hatte drei Tore und einen Durchmesser von 75 Metern. Goseck ist
mit der aus Stein gebauten Anlage im englischen Stonehenge
vergleichbar, allerdings ist die Anlage in Goseck aus Holz
errichtet worden. Für die Rekonstruktion wurden rund 2.300
Eichenholzstämme verbaut. Der Steinkreis von Stonehenge in
England mag spektakulärer wirken; auch er wurde vermutlich zu
astronomischen Zwecken erbaut. Aber was hier in Sachsen-Anhalt
gefunden wurde, ist sein Vorläufer. Auch ein Monument der
sogenannten Henge-Kultur, aber noch 2.000 Jahre älter als
Stonehenge!
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Die Menschen der
Steinzeit konnten über spezielle Visiereinrichtungen in der
Anlage exakt die Sommersonnenwende (21. Juni) und auch die
Wintersonnenwende (21. Dezember) bestimmen. Das war in einer
kalenderlosen Epoche für den Zyklus der bäuerlich geprägten
Gesellschaft in der Steinzeit enorm wichtig. Die Anlage war
nicht nur Observatorium und heiliger Ort, sondern auch Markt-,
Richt- und Bestattungsplatz sowie letzte Zuflucht und
Rückzugsmöglichkeit im Kriegsfall. Es gibt auch Spuren von
Menschenopfern. Den Beweis dafür lieferten menschliche Knochen,
die inmitten der einst etwa zwei Meter hohen Palisaden-Anlage
gefunden wurden. Sie lagen nicht typisch für die Bestattung
eines Toten und zeigen Spuren von Fleischabschabungen. Das Alter
der Anlage, die nur 25 Kilometer vom Fundort der 3600 Jahre
alten «Himmelsscheibe von Nebra» entfernt liegt, konnte mit
Hilfe von Tonscherben zweifelsfrei bestimmt werden, die zusammen
mit zwei Pfeilspitzen und Tierknochen ausgegraben wurden.
Die
Himmelsscheibe von Nebra
Bei der
Himmelsscheibe von Nebra handelt es sich um einen
Schlüsselfund für die europäische Vorgeschichte. Sie ist die
älteste Darstellung des Kosmos die wir kennen und um die
3.600 Jahre alt. Sie ist von großer Bedeutung für die
Astronomiegeschichte sowie die frühe Religionsgeschichte.
Die erste uns bekannte konkrete Himmelsdarstellung der
Menschheitsgeschichte lässt mit ihren Beifunden
weitreichende archäologische Beziehungen sowie einen ersten
tiefen Einblick in die astronomischen Kenntnisse des
vorgeschichtlichen Menschen zu. In Verbindung mit dem
Fundort gewinnt dies zusätzlich an Brisanz. Himmelsscheibe
und Beifunde deuten schon beim jetzigen Stand der Analyse
weiträumige Beziehungen bis in den östlichen
Mittelmeerbereich an. Für die weitere Forschung wird die
Himmelsscheibe von Nebra wahrscheinlich auf Jahrzehnte ein
zentraler Fixpunkt sein.
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Das Observatorium
beweist nun: Die Tradition der Himmelsbeobachtung ist viel
älter: fast 7.000 Jahre! Das wirft unser Bild des
Steinzeitmenschen über den Haufen.
Das Observieren
von Himmelsphänomenen ist eine äußerst komplizierte
Angelegenheit, und die Menschen waren damals in der Lage, dies
auf den Tag genau zu tun, sie waren in der Lage, diese komplexen
Phänomene der Natur, diese Zyklen zu beobachten und festzulegen,
das ist etwas, was man bislang für den jungsteinzeitlichen
Menschen in dieser Weise nicht angenommen hat.
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Die Anlage in
Goseck wurde 1991 bei einem Erkundungsflug eines
Luftbildarchäologen entdeckt. Sie steht am Anfang einer Reihe
von etwa 200 vergleichbaren vorgeschichtlichen Monumentalbauten
der europäischen Jungsteinzeit und frühen Bronzezeit in
Mitteleuropa. Rund einen Kilometer vom Sonnenobservatorium
entfernt wurde auch eine neue Steinzeitsiedlung entdeckt. Eine
Erkundungsgruppe der Universität Halle stieß beim Ausheben eines
etwa 50 Meter langen und einen Meter tiefen Suchgrabens auf die
Überreste eines 7.000 Jahre alten Linienband-Dorfes. Die
Linienband-Kultur wurde nach den Verzierungen der Keramikgefäße
dieser Menschen mit typischen, immer wiederkehrenden
Linienmustern benannt.
Eine weitere
Attraktion ist das Schloss von Goseck, auf dessen Hof ein
ansehnlicher Ginkgobaum wächst. Adalbert von Bremen stammt aus
dem Grafenhaus von Goseck. Der Erzbischof von Hamburg-Bremen
selbst hat die Klosterkirche auf dem Schlossberg im 11.
Jahrhundert geweiht. Auf dem Schloss ist ein Museum zum
Sonnenobservatorium eingerichtet. Der Infopoint im Schloss
Goseck dient zur Vor- bzw. Nachbereitung des Besuchs der
Kreisgrabenanlage. In zwei historischen Räumen des so genannten
Hofmeisterhauses wird das Phänomen Kreisgrabenanlagen
publikumswirksam aufbereitet.
Es gibt in
Mitteleuropa nicht wenige dieser Kreisanlagen mit
Peilvorrichtungen zur Sternbeobachtung. Die in Goseck ist aber
die bisher älteste und die einzige in Deutschland, die
rekonstruiert wurde. Sie soll Touristen in ihren Bann ziehen und
den Besuchern Einblicke in das Leben der Jungsteinzeit und
Bronzezeit geben. Zuweilen sieht man unter den Besuchern auch
Druiden in weißen Gewändern, Sterndeuter, Mystiker oder
Wünschelrutengänger...
Weitere Informationen:
Gosecker
Sonnenobservatorium e.V.
Burgstr. 53
06667 Goseck
www.sonnenobservatorium-goseck.de
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