Am 31. Mai 1740 trat eine Wende in der Politik Preußens
ein: Der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm schloss die Augen, sein
mit ihm auf Kriegsfuß stehender Sohn Friedrich - als liberal,
friedliebend und geistreich gefeiert- übernahm die Macht. Aber
bald sollte diese Thronbesteigung zur Enttäuschung werden:
Friedrich brach den von seinem Vater um jeden Preis gehaltenen
Frieden und marschierte in Schlesien ein, dessen größter Teil
damals zu Österreich gehörte
Durch
Gottes Ratschluss ist unser teurer Vater gestern um drei Uhr heimgegangen. Er
starb mit engelhafter Gefasstheit, ohne viel zu leiden.
Mit diesen Worten teilte Thronfolger Friedrich seiner Schwester Wilhelmine in
Bayreuth das Hinscheiden Friedrich Wilhelms I. mit. Als der Soldatenkönig
endlich tot war, konnte der Sohn aufatmen: Seine herzlose Erziehung zum König in
Preußen hatte ein Ende. Jetzt war er, was er vorgeblich nie werden wollte und
worauf er sich doch sein ganzes Leben gefreut hat:
Monsieur, à present je suis roi! - Mein Herr, jetzt bin ich König!
Leopold von Anhalt - Dessau - Erfinder des Stechschritts und Vater des
preußischen Militärdrills - bekam auf die Bitte, auch Friedrich möge ihm - wie
der Soldatenkönig bisher - Ämter und Autorität erhalten, gleich nach der
Huldigung am 31. Mai 1740 die ernüchternde Antwort:
Was die Ämter betrifft, so kann ich Euch beruhigen, was Euer Liebden mit der
Autorität meinen, verstehe ich nicht. Autorität in diesem Lande hat nur einer -
und das bin ich!
Die Zurechtweisungen der Freunde blieben selbstverständlich den Untertanen des
neuen Königs verborgen. Sie erfuhren allerdings sehr bald, dass Friedrich II.
ganz anders regieren wollte als sein Vater. Per Kabinettsorder verkündete der
Monarch in den ersten Tagen seiner Herrschaft:
Alle Religionen seindt gleich und guht und Müssen alle Tolleriret werden.
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Das war an sich nichts Neues für
Preußen, denn seit fast hundert Jahren gewährten die Hohenzollern allen in
anderen Ländern ihres Glaubens wegen Verfolgten Heimatrecht und Asyl. Aber dass
Friedrich in einer Art "Regierungserklärung" ausdrücklich darauf hinwies, gab
den Aufgenommenen das Gefühl von Stetigkeit und Sicherheit. Auch die bis dahin
in ganz Europa übliche Folter wurde sofort aufgehoben - mit drei Ausnahmen:
Majestätsverbrechen, Hochverrat, Massenmord.
Immer wieder wird darauf verwiesen, dass Friedrich II. in Preußen die
Pressefreiheit eingeführt habe. Das allerdings stimmt so nicht. Zwar verkündete
er sinngemäß:
Die Gazetten dürfen nicht genieret werden.
Aber das Verbot der Zensur bezog sich ausdrücklich nur auf die unpolitischen
Teile der Zeitungen. Wenn es ein Schreiberling gewagt hätte, seine Majestät zu
kritisieren, eines der neu erlassenen Gesetze oder Verfügungen und Verordnungen
in Zweifel zu ziehen, hätte er sehr schnell zu spüren bekommen, dass sich in
dieser Beziehung Preußen unter Friedrich II. von keinem anderen Land
unterschied. Die "Langen Kerls" - das Lieblingsspielzeug seines Vaters - hatte
er allerdings nach Hause geschickt und mehr Menschlichkeit von den Offizieren
gefordert. Preußen schien einem goldenen Zeitalter entgegen zu gehen. Die
Beliebtheit des neuen Königs kannte keine Grenzen. Im August jubelte ein
ungenannter Verseschmied in der "Haude- und Spenersche Zeitung" euphorisch:
Europa sieht auf dich, gekrönter Heldensohn,
es sieht: Ein Philosoph besteigt den Königs-Thron;
Ein Weiser, den kein Schein der falschen Staatskunst trieget.
Mein König! Dieser Tag versiegelt unsre Ruh,
Der Stifter unsers Glücks, o Vater, der bist du!
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Kaum waren die Zeilen gelesen und
vergessen, kam alles ganz anders. Plötzlich war Kaiser Karl VI. tot. Er
hinterließ keinen männlichen Nachfolger, sondern nur eine Tochter, Maria
Theresia. Friedrich II. erkannte die einmalige Chance zur territorialen
Erweiterung Preußens. Er beschloss, unverzüglich zu handeln - und enttäuschte
damit seine bisherigen Bewunderer. Scheinbar grundlos fragte er die Minister:
Wenn man im Vorteil ist, soll man ihn nützen oder nicht? Ich bin bereit. Lasse
ich ihn aus, so halte ich einen Trumpf in der Hand, den ich nicht auszuspielen
verstehe. Im anderen Falle aber wird man sagen, dass ich die Überlegenheit
gegenüber meinen Nachbarn geschickt wahrzunehmen verstand.
Friedrich besaß, was der österreichischen Kaisertochter fehlte: Eine
einsatzbereite Armee, acht Millionen Taler Bargeld im Schlosskeller und den
Ehrgeiz, nicht mehr König in, sondern von Preußen sein: Dazu benötigte er
unbedingt ganz Schlesien, das jedoch zum größten Teil den Wiener Habsburgern
gehörte. Skrupellos entfesselte er einen Krieg gegen Maria Theresia und ließ
preußische Truppen in Schlesien einmarschieren. Am Ende der militärischen
Auseinandersetzungen mit Österreich wird der Hohenzoller nicht nur das begehrte
Schlesien gewonnen haben und sich König von Preußen nennen, sondern auch als
Friedrich der Große verehrt werden.
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