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DER SCHINDERHANNES


    Schinderhannes, der "Robin Hood vom Hunsrück"

 

Der Schinderhannes lebt: Auch 200 Jahre nach der Hinrichtung von Johannes Bückler, dem bekanntesten Räuber Deutschlands, blüht noch immer die Legende vom "Robin Hood des Hunsrück".

Der Schinderhannes wurde am 24. Oktober 1777 in Miehlen im Hintertaunus geboren, und zwar als ältester Sohn des Johann Bückler. Dessen Vater war ein Wasenmeister gewesen, auch Abdecker oder Schinder genannt (daher der Name Schinderhannes) – ein Gewerbe, das als „unehrlich“ galt, obwohl die Ausschlachtung und Beseitigung von Tierkadavern durchaus eine nützliche Arbeit war. Man hat, um die spätere Karriere des Schinderhannes zu erklären, gern auf die soziale Deklassierung verwiesen, die mit dem Abdeckerberuf verbunden war. Tatsächlich jedoch war Schinderhannes’ Vater dem Gewerbe des Großvaters untreu geworden und hatte – nach der Heirat mit Anna Maria Schmidt, einer Bauerntochter aus Miehlen – im Juli 1777 einen kleinen Hof bewirtschaftet. Dabei war er wohl nicht sehr erfolgreich gewesen, denn Ende 1783 ließ sich Johann Bückler senior als Söldner im Heer der Österreicher anwerben. Seine Frau und die rasch anwachsende Kinderschar folgten ihm auf allen Stationen, von Olmütz bis Brünn. Es war ein unstetes Leben in der rauen Luft der Garnisonsstädte.

ANEKDOTE

Der schalkhafte Räuber

In Kreuznach war Viehmarkt. Aus allen Richtungen kamen die Händler und Bauern mit gefüllten Geldbörsen, um Geschäfte zu machen. Der Schinderhannes wollte sich an diesen Geschäften beteiligen.

Also legte er sich mit seinen Gesellen auf die Lauer. Er brauchte nicht lange zu warten, bis eine Schar Händler kam, im munteren Gespräch über zwielichtige Geschäfte, die sie abgewickelt hatten. Plötzlich schob Schinderhannes den Lauf seiner Flinte hinter einem Felsen vor und donnerte den Erschrockenen ein mächtiges "HALT" entgegen. Wie angewurzelt blieben sie stehen. "Der Schinderhannes!" rief schließlich einer, der sich vom ersten  Schrecken erholt hatte. Die ganze  Gesellschaft wollte kehrtmachen und Reißaus nehmen. Aber als die Handelsleute sich umdrehten, blickten sie in schwarze verschmierte Gesichter und drohende Gewehrmündungen. Sie waren umzingelt, eine Flucht war unmöglich und so ergaben sie sich zeternd und jammerten in ihr ungewisses Schicksal. Schinderhannes kam mit vorgehaltener Flinte gemächlich vom Felsen herab und trat vor die Händler.

"Die Geldbörsen her !" fuhr er sie an. Einige hatten vorsorglich ein Teil ihres Geldes am Körper versteckt oder in die Kleider genäht, doch Schinderhannes kannte diese Tricks und ließ einen jeden gründlich visitieren. Schließlich hatte keiner der Geprellten auch nur so viel Geld, dass er sich auf dem Markt ein Ziegenfellchen hätte kaufen können. Nun befahl der Räuberhauptmann barsch: "Schuhe ausziehen und auf einen Haufen werfen! "  Verdutzt sahen die Händler sich an. Was sollte denn das bedeuten? Aber ein Blick auf den Schinderhannes verriet ihnen, dass er es erst meinte. Als alle ihre Schuhe hingelegt hatten, wühlte ein Schalk die Paare so durcheinander, dass nicht ein einziges zusammenblieb. dann zog der Schinderhannes seine Uhr heraus und rief: " Anziehen! Wer in fünf Minuten seine Schuhe nicht anhat, wird erschossen." Wie die Raubkatzen stürzten sie sich auf die Schuhe. Jeder wollte die besten herausfischen, jeder wollte aber auch schnell hier wegkommen. Ein wüstes Handgemenge entstand, sie schlugen sich die Köpfe blutig, zausten sich gegenseitig an den Haaren und rissen sich die Kleider vom Leibe. Die fünf Minuten waren lange vorbei, als der letzte ein Paar Schuhe zusammengerafft hatte. Der Schinderhannes und seine Bande waren inzwischen verschwunden. Auf dem Markt zu Kreuznach erzählte man von nichts anderem als von diesem schalkhaften Streich des Schinderhannes.

1787 desertierte er und kehrte mit seiner Familie in den Geburtsort des Vaters, nach Merzweiler (Norden der Rheinpfalz), zurück. Hier geriet der "Schindersohn" auf Abwege und begann seine Räuberkariere dadurch, das er systematisch Hammel stahl, weil er für ein lustiges Leben unter Altersgenossen Geld brauchte. Sein Lehrmeister (ebenfalls Abdecker) Nagel erstattete 1795 Anzeige und ließ Johannes verhaften, der daraufhin nachts über die Dächer entwich. Durch diese Tat wurde er zu einem flüchtigen Dieb, der nicht wieder in die bürgerliche Gesellschaft zurückkehren konnte und das abenteuerliche Räuberleben des "Schinderhannes", das schon zu seiner Lebenszeit für Legenden sorgte, begann.

Anfangs trieb Johannes sich ziemlich planlos auf dem Hunsrück herum, bis er Spießgesellen fand und mit ihnen das Diebesleben in größerem Stil fortsetzen konnte. Durch seine gewagten Schachzüge (z.B. raubte er des öfteren ein Lager aus und verkaufte die Beute dann an den Eigentümer zurück) und seinem fast wundersamen Geschick, aus jeder Festnahme zu entkommen, bekam er bald den Ruf, mit dem Teufel im Bunde zu stehen und die Bevölkerung sprach oft nur im Flüsterton von ihm. So pendelte der Schinderhannes, unter verschiedenen Identitäten, unbehelligt immer von einer Rheinseite zur anderen, je nachdem wie heiß ihm der Boden unter den Füßen zu werden schien.

Im Jahre 1799 verbrachte Hannes ein halbes Jahr im Gefängnis von Simmern (Hunsrück), kaum wieder frei fasste er zum ersten Mal den Plan ins Auge, eine große Bande anzuführen, die unter seinem Befehl Diebstahl in richtig großem Stil betreiben sollte.

Gefängnis von Simmern

Da er sich bei der Flucht ein Bein gebrochen hatte, und im kommenden Frühjahr die hübsche Julia Bläsius (bekannt unter "Julchen") kennen lernte und mit ihr zusammenlebte (ohne kirchlichen Segen) konnte er den großen Plan erst im Herbst 1800 verwirklichen.

In Kellenfels, Hahnenbach und Birkenfels wurden Lager errichtet, die kleinen Residenzen gleichen: Es gibt rauschende Feste mit Gesang und 'Damen', Wächter vor den Eingängen und sogar Angestellte, die die gestohlenen Waren weiterverarbeiteten. So wurden dort auch, die für Schinderhannes so typischen, Jägeranzüge von seinem Leibschneider hergestellte.

Da dies das beste Leben war, das Johannes sich vorstellen konnte, versuchte er auch nicht, die politische Situation zu verändern, wie viele andere es in ähnlichen Stellungen taten. Durch wechselnde Freigiebigkeit und Machtdemonstrationen konnte die Bande viele Dörfler in der Umgebung daran hindern sie anzuzeigen. Sie gingen sogar so weit, auf 'Anzeige' von Dörflern, Wucherer zu überfallen und sich so die Beliebtheit der Bevölkerung zu sichern. Einbruch, Raub, Diebstahl und Erpressung war schließlich für Schinderhannes und seine Gesellen ein ertragreiches Gewerbe. Ein versierter Schreiber erledigte die Korrespondenz von Drohbriefen der Bande. Immer wieder erpresste sie so trotz "freundlicher Grüße" oder "Gruß und Bruderlieb" Zahlungen, indem sie Kaufleute oder Metallindustrielle mit hohen Kautionen zu "Audienzen" lud. Regelmäßige Steuern Tributwilliger gaben der Bande eine solide Finanzgrundlage, wenn Schinderhannes auch gegen verarmte "Steuerzahler" stets Großmut walten ließ. Darüber hinaus zeigten alle Einbrüche eine sorgfältig ausgebildete Methode: Ein Balken rammte die Türen. Die Banditen fesselten und knebelten die Hausbewohner, raubten und drohten jedem der schreiben wollte mit dem Tod. Weil Schinderhannes die Brücken zu einem neuen, ehrbaren bürgerlichen Leben nie ganz abbrechen wollte, scheute er jedes Blutvergießen und versuchte, wenn auch oft vergeblich, die Spießgesellen zu bändigen.


 
ANEKDOTE


Schinderhannes und der Viehhändler

Eines Tages, als Schinderhannes einen Jahrmarkt besuchen wollte, begegnete ihm eine alte Bauersfrau, von der er erfuhr, dass sie eine Kuh kaufen wolle. Weinend erzählte das arme Weib, ihr Vieh sei gefallen und sie müsse trachten, billig einzukaufen, da sie nur 10 Kronentaler hätte. Schinderhannes gab der Frau noch 10 Kronentaler, damit sie sich die beste Kuh auf dem ganzen Markte aussuchen könne. Er stellte nur die Bedingung, dass sie sich von dem Viehhändler eine Quittung ausstellen lassen und ihm bringen müsse. Das geschah auch. Schinderhannes lauerte nun abends dem Viehhändler auf, zeigte ihm die Quittung und bat sich höflichst gegen Rückgabe derselben 20 Kronentaler aus. Der Viehhändler weigerte sich nicht im geringsten, löste die Quittung gleich ein und war froh, heiler Haut davon zu kommen.

Julchen, seine Frau, begleitete ihn in Männertracht, falls sie nicht rechtsrheinisch Kurzwaren oder Beute verkaufte. Einer der berühmtesten Genossen des Schinderhannes war Johann Leiendecker, ein Schuhmacher, der viele der Raubüberfälle mitplante. Von ihm stammt wahrscheinlich auch die Idee, "Sicherheitskarten" zu verkaufen, die vor dem Zugriff der Bande schützten. Im Gegensatz zu vielen seiner Mitgenossen wurde er nie festgenommen und setzte sich schließlich nach Holland ab, wo er mehr oder minder dem Tagewerk eines ehrlichen Schusters nachging.

Seit Ende 1800 begannen die verschärften Maßnahmen der Polizei zu wirken. Dorfbewohner schöpften Mut und organisierten Widerstand. In immer kürzeren Abständen musste Schinderhannes ins Rechtsrheinische fliehen, um sich den Verfolgern zu entziehen. Nachdem bei einem Überfall Anfang September 1801 ein weiterer jüdischer Händler, Mendel Löw, erschossen worden war, verstärkte die Obrigkeit die Fahndung. Im Dezember 1801 setzte sie eine Sonderkommission zur Bekämpfung der Bandenkriminalität ein, und am 11. Mai 1802 erließ sie einen Steckbrief gegen den „berüchtigten Räuber Johannes Bückler, genannt Schinderhannes“. Einen Tag später forderte der nicht minder berüchtigte französische Polizeiminister Joseph Fouché die Länder auf der rechten Rheinseite auf, gemeinsam gegen den Räuberhauptmann vorzugehen. Der suchte als fahrender Händler unter dem Namen Jakob Ofenloch zu entkommen, fiel zweimal einer Streife in die Hände, ohne erkannt zu werden, wurde aber schließlich im Juni 1802, als er sich in Limburg an der Lahn als Soldat anwerben lassen wollte, von einem ehemaligen Komplizen identifiziert. Man brachte ihn nach Frankfurt und lieferte ihn an die französischen Behörden aus.

Ein dreiviertel Jahr, vom 19. Juni 1802 bis 18. März 1803, wurde Schinderhannes in Mainz vernommen. Dabei erwies er sich als erstaunlich redselig. Nicht nur verblüffte er die Untersuchungsrichter durch sein phänomenales Gedächtnis, was seine Raubtaten betraf; er nannte ohne Zögern auch die Namen derer, die daran beteiligt gewesen waren, sodass die Zahl der Mitangeklagten schließlich auf 67 anwuchs. Zweifellos hoffte Bückler, durch sein Geständnis vom Ersten Konsul in Paris, Napoleon Bonaparte, begnadigt zu werden. Immer wieder beteuerte er, dass man ihm „doch keine Grausamkeit“ vorwerfen könne: „Wenn meine Mitschuldigen deren begangen haben, so tat ich alles, was von mir abhing, um sie davon abzuhalten.“
Nach Abschluss der Voruntersuchung vergingen weitere sieben Monate, bevor am 24.Oktober 1803 der Prozess eröffnet werden konnte. Den Vorsitz führte der als republikanischer Publizist bekannt gewordene Jurist und damalige Präsident des Mainzer Kriminalgerichts, Georg Friedrich Rebmann. Die Verhandlung fand im Akademiesaal des ehemals Kurfürstlichen Schlosses statt – dort, wo zehn Jahre zuvor, 1792/93, der örtliche Jakobinerklub getagt und die kurzlebige Mainzer Republik, die erste Republik auf deutschem Boden, vorbereitet hatte.
Das Interesse des Publikums war außerordentlich, man riss sich um die Eintrittskarten, und Schinderhannes enttäuschte die Erwartungen nicht. Erhobenen Hauptes betrat er den Gerichtssaal, „wandelte so flüchtig und heiter dahin, als wenn es zum Tanze gehe“. Diese Rolle hielt er bis zum Ende durch, und auch das Todesurteil am 20. November nahm er gefasst auf.

Am Nachmittag des 19. November zog das Gericht seine Mitglieder zur Beratung zurück, am 20. November verkündete das Tribunal das Urteil. Es sprach 20 Personen, aus Mangel an mangels Beweisen  frei. Auf Schinderhannes und 19 Komplizen erkannte das Gericht die Todesstrafe. Drei Morde, 20 Raubüberfälle und 30 Diebstähle hielt das Gericht bei Schinderhannes für erwiesen. Kerkerketten und Zuchthaus erwarteten die anderen, Vater Bückler erhielt eine 22jährige Kettenstrafe. Julchen Bläsius (die trotzdem später noch einen Gendarmen heiratet und 1851 als wohlachtbare Bürgersfrau stirbt) musste lediglich zwei Jahre ins Zuchthaus.

Am 21. November 1803 vollstreckte die Guillotine vor den Toren von Mainz unter den Augen von 40.000 Zuschauern die Todesurteile. Woran sich die Zuschauer hinterher erinnerte, war die Gefasstheit, mit der der Verurteilte Johannes Bückler, bekannt und gefürchtet als "Schinderhannes", seinem Tod entgegensah. Seine letzten Worte sollen gewesen sein: "Ich habe den Tod verdient, aber zehn von meinen Kameraden nicht."

Der Augenzeuge Weizel schrieb hinterher darüber: "Die Ruhe und Fassung dieses Menschen in dem entsetzlichen Momente war erstaunenswürdig. Kein Zug von Wildheit oder Brutalität entstellte sein Gesicht, er schien ruhig und heiter. Wäre er für eine gute Sache gestorben, man müsste seine kräftige Natur rühmen. Gewiss hätte was treffliches aus dem Menschen werden können. Sein Verhängnis wollte, dass er unter der Hand des Henkers sterben sollte."

„Bückler war tot, doch tatsächlich lebte Schinderhannes nach seiner Hinrichtung fort, und zwar nicht als der, der er gewesen war, sondern wie man sich ihn imaginierte: als ein Robin Hood des Hunsrück, der den Reichen genommen hatte, um den Armen zu geben. Je weiter der Tod Bücklers zurücklag, desto üppiger schoss der Schinderhannes-Mythos ins Kraut. In Liedern und Balladen, in Dramen und Puppenspielen, in Romanen und Biografien wurde das Hohelied auf den edlen Räuber gesungen, der das Geraubte verschenkt und mutig gegen die französische Besatzungsmacht gekämpft habe. Das setzte sich auch im 20. Jahrhundert fort, von Carl Zuckmayers volkstümlichem Schauspiel Schinderhannes (1927) bis zu Helmut Käutners erfolgreichem Kinofilm von 1958 (mit Curd Jürgens und Maria Schell in den Hauptrollen), der den vorläufigen Höhepunkt in der Romantisierung und Verkitschung des historischen Stoffes markiert.

Heute setzen tüchtige Werbemanager: auf den "Schinderhannes-Mythos". Schnitzel, Brot, Wein und Bier haben sie nach dem legendären Räuberhauptmann benannt und Firmen, Hotels und Restaurants in ganz Deutschland werben mit dem Namen                            
     SCHINDERHANNES

 

 

Die Delikte des Schinderhannes
 

 

 

Delikte gegen das

Eigentum

Vermögen

Leben

Anzahl

Diebstahl

Raub

Erpressung

Mord

1796

3

3

––––

––––

––––

1797

35

34

––––

––––

1

1798

25

21

––––

2

2

1799

12

6

5

1

––––

1800

57

7

32

14

4

1801

47

13

28

5

1

1802

22

4

6

12

––––

undatiert

10

8

––––

1

1

Summe

211

96

71

35

9

 

Die Bandenmitglieder

Die berühmteste deutsche Räuberbraut war zweifellos Juliana Blasius (1781-1851). Sie lebte drei Jahre lang mit dem legendären Räuber "Schinderhannes" zusammen. In französischen Dokumenten jener Zeit hießen die beiden "Julie Blaesius" und "Jean Buckler".
Juliana Blasius kam am 22. August 1781 als Tochter des Musikanten und Tagelöhners Johann Nikolaus Blasius (geb. 1751) in Weierbach bei Idar-Oberstein (heute Rheinland-Pfalz) zur Welt und wuchs dort auf. Das "Julchen" trat zusammen mit dem Vater und der Schwester Margarethe (geb. 1779) auf Märkten und bei Kirchweihen als Bänkelsängerin und Geigenspielerin auf.
Das Todesjahr von "Julchens" Vater und Schwester ist nicht mehr eruierbar. Denn die Kirchenbücher von Weierbach aus der Zeit von 1798 bis 1830 liegen nur noch in Bruchstücken vor. Daraus geht jedoch - nach Mitteilung des Pfarrers i. R. Erich Henn aus Idar-Oberstein - die Schreibweise des Familiennamens Blasius hervor. Als Vorname wird in der Literatur mitunter auch Juliane angegeben, als Familienname manchmal Bläsius.
Zu Ostern 1800 sah Johannes Bückler das 18-jährige "Julchen" zum ersten Mal auf dem Wickenhof bei Kirn, als sie dort mit ihrem Vater und ihrer Schwester zum Tanz aufspielte. Durch einen Komplizen bestellte er das "Julchen" und Margarethe zwei Wochen später in den Wald bei Weierbach - Flurbezeichnung Dollberg -, wo jemand wäre, der mit ihnen reden wolle.
Nach dem heimlichen Treffen im Wald bei Weierbach zog das "Julchen" fortan mit dem "Schinderhannes", der vor ihr schon acht andere Geliebte hatte, durch das Land. Vier der Geliebten sind namentlich bekannt: Elise Werner, Buzliese-Amie, Katharina Pfeiffer und Margarethe Blasius - ihre Schwester Margarethe war mit einem Spießgesellen des Hannes namens Peter Dalheimer liiert.
Beim Prozess gegen den Räuber erklärte das "Julchen" später, sie sei als 15-Jährige mit Gewalt entführt worden. Diese Aussage dürfte eine Notlüge gewesen sein, denn das "Julchen" hätte später, wenn es in Abwesenheit des "Schinderhannes" als "Händlerin Ofenloch" unterwegs war, flüchten können.
Auf dem Höhepunkt seiner Macht um 1800 hielt sich der "Schinderhannes" mit dem "Julchen" und seiner Bande auf der halb verfallenen Schmidtburg im Hahnenbachtal oberhalb von Kirn auf. Die Burg war seit der französischen Annektion 1795 von ihren Besitzern verlassen worden. Im nahegelegenen Dorf Griebelschied feierte die Bande in einem Gasthof sogar einen öffentlichen "Räuberball".
Zusammen mit Johannes Bückler beteiligte sich "Julchen" Blasius mehrfach - teilweise in Männerkleidung - an brutalen Überfällen, bei denen sie es sogar in Kauf nahm, dass die Opfer - wie der Jude Wolff Wiener in Hottenbach - gequält wurden. In dem Roman "Unter dem Freiheitsbaum" (1922) der aus Trier stammenden Schriftstellerin Clara Viebig (1860-1952) wird die Räuberbraut als mutig, skrupellos, temperamentvoll und attraktiv dargestellt.

Zu einem heute nicht mehr genau bekannten Zeitpunkt brachte "Julchen" Blasius in Bruchsal (heute Baden-Württemberg) eine Tochter des "Schinderhannes" zur Welt, die bald starb. Während ihrer Gefangenschaft im Mainzer Holzturm gebar das "Julchen" am 1. Oktober 1802 einen Sohn des "Schinderhannes", der Franz Wilhelm getauft wurde. Im selben Jahr kam ihre Schwester Margarethe wegen Diebstahls und Herumlungerns ins Gefängnis nach Kaiserslautern.
Der Mannheimer Künstler Karl Mathias Ernst (1758-1830) porträtierte das "Julchen" mit dem Säugling an der Brust und den "Schinderhannes" mit Handschellen. Auf dem vermutlich geschönten Bild sind die drei herausgeputzt und auf Biedermeier-Idylle getrimmt dargestellt. Der Junge wurde später von dem Mainzer Zollwächter (Steuereinnehmer) Johannes Weiß adoptiert. Sein späteres Schicksal ist nicht bekannt.
"Julchen" Blasius wurde im Prozess gegen den "Schinderhannes" und seine Kumpane zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Die verhältnismäßig milde Strafe beruhte darauf, dass ihr Geliebter sie während des Verfahrens immer wieder zu entlasten versuchte. Er sagte: "Ich habe sie verführt, sie ist unschuldig." Der Gerichtsort Mainz hieß damals Mayence und lag im französischen Département du Mont-Tonnere ("Donnersberg"), und der "Schinderhannes" wurde als französischer Staatsbürger "citoyen Jean Buckler" angeklagt.
Nach der Hinrichtung des "Schinderhannes" verbüßte "Julchen" Blasius ihre Haftstrafe im "Korrektionshaus" in Gent (Belgien). Nach ihrer Entlassung arbeitete sie zunächst als Dienstmädchen beim Pflegevater ihres Sohnes in Mainz. Bald darauf kehrte sie - vermutlich wegen Nachstellungen der Männer dieses Hauses - in ihren Heimatort Weierbach zurück.
In Weierbach ehelichte "Julchen" Blasius einen Gendarmen namens Uebel, der bald darauf während der Befreiungskriege starb. Am 2. Juli 1814 heiratete sie im Alter von 32 Jahren in Weierbach ihren verwitweten Vetter, den Ortspolizeidiener Johann Blasius. Aus dieser Ehe gingen sieben Kinder hervor, von denen allerdings nur zwei das Erwachsenenalter erreichten.
In späteren Jahren wurde Juliana Blasius zuweilen von in Weierbach durchreisenden Fremden neugierig bestaunt. Dabei spendierte man ihr manchmal einen Schnaps, worauf sie sich als "Frau des Schinderhannes" brüstete. Als dies die Behörden erfuhren, erhielt das "Julchen" 1844 den Besuch eines Staatsanwalts aus Saarbrücken. Er befand, sie sei "reinlich gekleidet" und ,,noch gut konserviert". Bei der Unterredung bezeichnete sie die Zeit an der Seite ihres "ersten Mannes" als die schönste.
Juliana Blasius überlebte den "Schinderhannes" um 47 Jahre. Am 3. Juli 1851 starb sie im Alter von 69 Jahren in ihrem Heimatort an Wassersucht.

 

Der ehemaliger Müller und Pächter des Ibenerhofes Peter Hassinger, um 1772 im pfälzischen Albisheim geboren, wurde am 21. Juni 1802 in Simmern verhaftet und war eines der brutalsten Mitglieder der Schinderhannesbande. Michel Isaak, ein Hehler der Bande, sagte 1802 in Mainz bei einer Gegenüberstellung aus, dass der „Haß des Peter Hassinger (...) sich in allen Gemüther der Bande des Schinderhannes verbreitet“ habe. Hassinger nahm u. a. an den Gewaltstreichen in Erbesbüdesheim, Obermoschel, Sötern, Staudernheim und Waldgrehweiler teil und war in Mainz voll geständig. Sein Abgleiten in die Kriminalität begründete er damit, dass er und seine Familie infolge der kriegerischen Auseinandersetzungen verarmt seien und der Schinderhannes ihn in dieser Notsituation zum Begehen von Verbrechen aufgefordert habe. Peter Hassinger wurde 1803 zum Tode verurteilt.

Georg Friedrich Schulz, genannt "der schlechte Freier", war bei seiner Festnahme 22 Jahre alt und stammte aus Rohrbach bei Heidelberg. Er verpflichtete sich zunächst als Soldat, desertierte aber mehrfach und verdingte sich zunächst als fahrender Zunderkrämer und Korbmacher, ehe er ins kriminelle Milieu abglitt. Schon früh schloss er sich Johannes Bückler an und verübte mit diesem eine Reihe von Pferdediebstählen. Darüber hinaus beteiligte er sich u. a. an den Überfällen in Erbesbüdesheim, Klein-Rohrheim, Laufersweiler, Obermoschel und Sötern, für den Raubzug in Staudernheim lieh er sich eine Pistole bei dem Ibener Müller Heinrich Rupp, die er allerdings wegen der Gegenwehr der Dorfbewohner am Tatort zurückließ. Am 28. Mai 1802 wurde Schulz in Eckelsheim bei einem Streifzug der Bauern verhaftet und vor den zuständigen Friedensrichter Lewer in Wöllstein gebracht; bei seiner Festnahme führte Schulz zwei Pferde mit sich, die er kurz zuvor in der Nähe von Lorsch gestohlen hatte. In Wöllstein erkannte ihn einer der Bauern als einen Komplizen des Schinderhannes, weswegen Schulz drei Tage später von Lewer an das Mainzer Spezialgericht überstellt wurde. Hier verhörte ihn Richter Wernher über mehrere Monate, wobei Schulz allerdings bis zuletzt eine Beteiligung an den Bandendelikten leugnete. Das Spezialgericht sah aber aufgrund seiner umfangreichen Ermittlungen genügend Verdachtsmomente für seine Verurteilung, zumal er auch von seinen Komplizen schwer belastet worden war. 1803 verurteilte man ihn zum Tode.

Der aus Wickenroth stammende Philipp Klein, als Sohn eines ehemaligen nassauischen Husars auch "Husaren Philipp" genannt, war ein 35jähriger Tagelöhner und Feldschütze in Dickesbach. Mehrfach wegen verschiedener Vergehen inhaftiert und schließlich zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt, schloß sich Klein, der mit Katharina Schüßler verheiratet war, der Schinderhannesbande an und beteiligte sich im Januar 1800 an dem Überfall auf den Müller Horbach (Antesmühle) sowie an der Ermordung von Peter Riegel in Otzweiler. Nachdem ihn Schinderhannes in Mainz als einer seiner Komplizen denunziert hatte, erließ der Kirner Friedensrichter Becker am 18. Dezember 1802 einen Haftbefehl und überstellte Klein in die Kompetenz des Mainzer Spezialgerichts. Hier leugnete Klein zunächst jegliche Beteiligung an den Straftaten der Bande, verstrickte sich aber in Widersprüche und wurde am 21. November 1803 hingerichtet. Klein stand in einer besonders engen Beziehung zu Schinderhannes und hatte um Ostern 1800 den Kontakt zwischen Bückler und Juliana Bläsius hergestellt.

Franz Bayer, genannt der "Scheele Franz", war ein 37jähriger Zunderkrämer aus Worms. Er geriet schon früh mit dem Gesetz in Konflikt und wurde wegen verschiedener schwerer Verbrechen, die er teilweise zusammen mit seinem Bruder Adam begangen hatte, mehrfach inhaftiert. Um das Jahr 1787 war er an einem Überfall auf einen jüdischen Kaufmann in der Nähe von Heidelberg beteiligt, weswegen er nach seiner Verhaftung und Aburteilung ausgepeitscht und schließlich als notorischer Übeltäter gemäß den Bestimmungen der Carolina gebrandmarkt wurde. Unbeeindruckt von diesen harten Strafen, setzte Bayer seine kriminelle Karriere fort und verübte beispielsweise zusammen mit seinem Bruder Adam und Michel Siegler im September 1797 einen Einbruch bei dem Frankenthaler Kaufmann Arnold Schmitt. Das Trio wurde jedoch verhaftet und in Speyer inhaftiert, von wo aus Bayer allerdings kurze Zeit später fliehen konnte. Als Mitglied der Schinderhannesbande beteiligte sich Bayer u. a. an den Überfällen auf Herz Mayer in Ulmet und den Nationalgendarmen André. Im November 1801 wurde Bayer nach seiner erneuten Verhaftung in Lindenfels festgesetzt und schließlich am 13. August 1802 den Franzosen übergeben. Obgleich er in seinen Verhören gegenüber dem Untersuchungsrichter Derousse ein völliges Geständnis ablegte, verurteilte ihn das Spezialgericht 1803 zum Tode.

Christian Rheinhard, genannt "Schwarzer Jonas", wurde um 1775 in Berlin als Sohn eines preußischen Soldaten geboren. Nach dem Tode des Vater zog die Familie in die Wetterau, wo die Mutter einen ambulanten Warenhandel betrieb. Reinhard selbst betätigte sich als Musikant und Bänkelspieler und war zeitweise als Fayencehändler tätig. Zu Beginn der 1790er Jahre heiratete er die ebenfalls in Mainz angeklagte Margaretha Eberhard, mit der er zwei Kinder hatte. Rheinhard war einer der treuesten Gefährten des Schinderhannes und an den meisten Gewaltverbrechen der Bande beteiligt. Zusammen mit Johannes Bückler wurde er im Juni 1802 in Limburg verhaftet und nach Mainz gebracht. In seinen Verhören vor Richter Wernher legte Rheinhard ein umfassendes Geständnis ab. Am 19. November 1803 verurteilte ihn das Mainzer Spezialgericht zum Tod durch die Guillotine.

Johannes Müller (Vater), auch "Müllerhannes" oder "Butla" genannt, wurde am 1. April 1802 in der Nähe von Alzey festgenommen; zum Zeitpunkt seiner Verhaftung war der aus Kinderbeuern stammende Zunderhändler bereits 55 Jahre alt. Müller hatte mit seiner in Lebach geborenen Frau neun Kinder und ernährte seine Familie durch einen ambulanten Kleinhandel, im Sommer verdingte er sich zudem als Tagelöhner. Er geriet, wie die meisten Bandenmitglieder, schon früh mit dem Gesetz in Konflikt, weswegen er bereits mehrfach eingesessen hatte. Zu Beginn der 1790er Jahre hielt sich die Familie vornehmlich in Lettweiler und in Hallgarten auf. Müller fand ebenso wie seine beiden Söhne Johannes und Johann Nikolaus Kontakt zu Mitgliedern der Schinderhannesbande und beteiligte sich aktiv an den Überfällen in Erbesbüdesheim, Laufersweiler und Sötern. Der Obermoscheler Friedensrichter Schmitt ließ ihn am 16. April 1802 nach Mainz bringen, wo er im Holzturm inhaftiert wurde. In seinen Verhören leugnete Müller zunächst hartnäckig, an den ihm zur Last gelegten Verbrechen beteiligt gewesen zu sein und konnte nicht erklären, weshalb man ihn für ein Bandemitglied hielt. Erst nach mehreren Gegenüberstellungen mit seinen bereits verhafteten Komplizen und einer nicht enden wollenden Flut von Fragen durch Richter Derousse wurde ihm die Aussichtslosigkeit seiner Situation bewusst. Schon am 10. Mai 1802 legte er ein umfassendes Geständnis ab und bekannte die ihm zur Last gelegten Verbrechen ein. Das Spezialgericht verurteilte ihn ebenso wie seinen Sohn Johann Nikolaus im November 1803 zum Tode; Johannes Müller (Sohn) war bereits im Frühjahr 1803 an den Folgen der venerischen Krankheit im Holzturm verstorben.
 

 
 

 

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