Piraten trieben zu allen Zeiten auf allen Meeren ihr Unwesen.
Schon in der Antike gab es Seeräuber. Die alten Griechen nannten sie "Peirates".
Daraus entstand unser Wort "Piraten". Das Bild des Seeräubers als verwegener,
raubeiniger Abenteurer mit Augenklappe, Holzprothese und wildem Bart ist mehr
Dichtung als Wahrheit! Wer immer der Mann war, den man Klaus Störtebeker nennt -
hinter seinem Namen verbirgt sich ein blutiges Kapitel europäischer
Handelsgeschichte.
Als Störtebeker auf dem Grasbrook, einer kleinen Hamburger Elbinsel, vor dem
Scharfrichter kniet, bietet er für seine und seiner Genossen Freiheit eine
goldene Kette, die ganz Hamburg umspannen soll. Es hilft ihm nichts. Auch der
Handel, dass all den Kumpanen das Leben geschenkt wird, an denen er, enthauptet,
noch vorbeiwanken könne, wird durch die Arglist des Henkers zunichte; der stellt
ihm ein Bein. Doch habe der Störtebeker so elf seiner Gesellen vor dem
Richtschwert retten können ...
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Der unermessliche Schatz des von London bis Nowgorod gefürchteten Piraten
wird nie gefunden. So mutig sei Störtebeker gewesen, so stolz, auch von Adel,
dass viele norddeutsche Städte bald behaupten, Heimatort des Größten der
Vitalienbrüder zu sein, der Likendeeler, weil sie die Beute stets zu gleichen
Teilen unter sich verteilen. Als in Mecklenburg 550 Jahre später Leute an der
Macht sind, die auch der Reichen Eigentum verteilen, wird Klaus Störtebeker
schließlich noch zum positiven Helden des Sozialistischen Realismus.
Klaus Störtebeker - das ist eine feurige, immer wieder gern erzählte Ballade.
Er ist eine jener geschichtlichen Gestalten, die wirklich jeder kennt. Und doch:
Bläst man die Legendenspreu hinweg, bleibt nahezu nichts. Wann und wo er geboren
wurde, wie er gelebt hat, ob er wirklich im Herbst 1400 (oder 1401) auf dem
Grasbrook hingerichtet wurde - niemand weiß es.
Was bleibt, geblieben ist, sind nur ein paar alte Papiere, ein paar Einträge
in Chroniken, Rechnungen, Akten. Wie zum Beispiel die erste Erwähnung, ein
polizeilich anmutendes Notat im liber proscriptorum der Stadt Wismar,
dem Buch der Ächtungen, für 1380:
"Item Balhorst, Boldelaghe et
Craan eo (abjuraverunt civitatem), quod Gherardo servo Poppen et Nicolao
Stortebeker cuilibet ossis fracturam cum 5 blaviis intu(l)erunt tempore nocturno."
Protokoll eines Raubüberfalls oder eines "Zechanschlussdelikts" möglicherweise -
jedenfalls wird den drei Erstgenannten das Bürgerrecht aberkannt, weil sie zur
Nachtzeit den Poppenschen Diener Gerhard und einen Nikolaus Stortebeker
zusammenschlugen, mit Knochenbruch und blauen Beulen. Die Strafe der Ächtung ist
hart, sie müssen aus der schützenden Stadt ins Aus-Land, rechtlos, friedlos ins
"Elend" ziehen. Klaus Störtebeker, hier noch das Opfer, ist da wohl schon kein
Kind mehr.
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Dann gibt es Krieg. Margarete, in Dänemark Regentin, hat Norwegen
dazugeheiratet und erobert 1389 auch noch Schweden. Nur Stockholm, wo viele
Deutsche leben, widersteht und hält zu seinem König Albrecht, dessen Bruder
Herzog in Mecklenburg ist. Der will die belagerte Stadt von See aus versorgen
und bietet "allen denjenigen, die auf eigene Gefahr heeren und fahren wollen,
das Reich Dänemark zu schädigen", Mecklenburgs Häfen an. Die ihrem Landesherrn
verpflichteten Hansestädte Wismar und Rostock verheißen
"omnes malefici,
omnes profugi, sive proscripti ...", allen Übeltätern, Flüchtlingen und
Geächteten Zuflucht und Reichtum. Das rechnet sich, denn die jetzt in hellen
Scharen kommen, "das sein Kriegsleute, die nicht umb Soldt, sondern nur umb die
Beute auff ir eigen Gefahr und Gewinn außziehen".
Zu ihnen stößt auch der Wismarer Störtebeker, Nikolaus, Clawes oder Klaus -
die Zeitläufte kennen keine Rechtschreibung. Die da Roggen und Bier nach
Stockholm bringen und, mit herzoglichen Kaperbriefen ausgestattet, Seeraub
betreiben, heißen bald "vitalienbrodere", Vitalienbrüder oder kurz Vitalier -
ein Wort, das wohl aus dem Französischen kommt, denn schon 50 Jahre zuvor nannte
man die Fouriere eines Krieges in Frankreich (der später der "Hundertjährige"
heißen wird) vitailleurs, Lebensmittelbeschaffer, auch sie in praxi
Räuber.
Die Piraterie ist so alt wie die Handelsschifffahrt, und nicht immer sind die
Grenzen zwischen beiden klar gezogen. Die See ist ein nahezu rechtsfreier Raum,
statt Klägern und Richtern gibt es Enterhaken und Schwert. Schon vor den Toren
Hamburgs können Dithmarscher und Friesen die Finger nicht von hansischem Gut
lassen, und wenn sie ein trocken gefallenes Schiff, das auf die nächste Flut
wartet, kurzerhand zu Strandgut erklären; vor Englands Küste geht es nicht
anders zu.
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Doch die Vitalier sind keine habgierigen Bauern, sie operieren im
Geschwaderverbund und plündern bald nicht nur Dänen, sondern alles, was ihnen
vor den Bug segelt, Engländer, Holländer, Preußen und Hansen. Um "vredeschepen"
auszurüsten, Frieden erzwingende Schiffe, wird in den Hansehäfen der Pfundzoll
erhoben, der 320. Teil vom Wert der Ladung aller ein- und auslaufenden Schiffe.
In den "burspraken", den Ratsverordnungen, hören nicht nur die Lübecker, dass an
Leben und Eigentum gestraft wird, wer den Vitaliern mit Lebensmitteln, Rüstung
oder anderem Hilfe leistet oder "kope edder hantere geroved gud edder zedriftich
gud", also geraubtes oder in See treibendes Gut kauft oder benutzt. Jahr für
Jahr Ende Februar, wenn die Schifffahrt freigegeben wird, und nochmals "to sunte
Jacobes daghe" Anfang Mai wird dieses Gebot wiederholt, doch es nützt wenig.
Erst 1386 hatte Hamburg in einem 16-jährigen Prozess gegen den Erzbischof von
Bremen obsiegt: der geistliche Herr und seine Komplizen im Domkapitel werden
wegen jahrelang betriebener Seeräuberei zu hohem Schadenersatz verurteilt. Dann
wieder, 1392, muss ein Hansetag den gesamten Schonenverkehr für drei Jahre
aussetzen, die Vitalier beherrschen jetzt die westliche Ostsee, den Öresund, und
niemand segelt mehr unbehelligt von Lübeck nach Malmö. Die Schweden bleiben auf
ihrem Hering sitzen, die Lüneburger auf ihrem Salz, und die Lübecker verdienen
nichts mehr am Umschlag und Transport. Ein Fass Salz ist nötig, um vier bis fünf
Fässer Hering, um zehn Fässer Butter haltbar zu machen. Allein in die wendischen
Städte gehen jährlich um die 150 000 Fass Hering; Lübeck, "das auf Heringsfässer
gebaut ist", liefert des Christen Fastenspeise bis nach Böhmen, Ungarn und
Norditalien. Jetzt aber explodieren die Preise: in Königsberg auf das Dreifache,
auf das Zehnfache in Frankfurt am Main. Da "starben viele Leute und vor allem
ungezählte Kinder. In diesen vier Jahren gab es einen großen Mangel an Korn,
Nahrung, an Heringen und vielen Arten von Waren; das lag an dem großen Krieg,
der zwischen den Königen von Dänemark und Schweden herrschte", so steht es 1395
in der Magdeburger Schöppenchronik.
Und schon dringen die Vitalier auch in die Nordsee vor. "Ferner kamen am
Vorabend von St. Georg im 16. Jahr der Herrschaft König Richards II. (22. April
1393) mehrere Übeltäter und Räuber aus Wismar und Rostock aus dem Bund der Hanse
gewalttätig mit einer großen Flotte nach der Stadt Bergen in Norwegen und
erstürmten sie, ergriffen alle anwesenden englischen Kaufleute und ihre Güter,
verbrannten ihre Häuser und Wohnungen und forderten für sie ein hohes Lösegeld
von 5400 Nobeln." Die preußischen Städte wollen bei Fahrten in die Nordsee und
die Biskaya jetzt nur noch in Konvois von wenigstens zehn Schiffen segeln, doch
gegen den Eigensinn der Danziger und Elbinger Schiffer ist der Beschluss nicht
durchzusetzen.
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Schließlich wird in Skanör Frieden mit Margarete geschlossen, 1395, unter
hansischem Druck; der Kaperkrieg der Vitalier hat keine Rechtsgrundlage mehr.
Die Mecklenburger Großen geben auf. Doch so mancher Kleinadelige, der sein
letztes Stück Land für ein Schiff verkaufte, so mancher Abenteurer, Entlaufene,
Verbannte bleibt auf See; wo sollte er auch hin? Aus England richtet
Heinrich IV. eine lange Klageschrift an die Hanse, in der Klaus Störtebeker
14-mal genannt wird, meist im Zusammenhang mit Gödeke Michels, einem nicht
minder legendären Piraten, den seine Heimatstadt Wismar 1397 geächtet hatte.
"Item, that in the yeere 1394 one Godekin Mighel, Clays Sheld, Storbiker and
others tooke out of a ship of Elbing ...": Störtebeker sei 1394
dabeigewesen, als ein nach Preußen gesegelter Kauffahrer aufgebracht wurde. Ein
Jahr später, fährt Heinrich fort, sollen Michels und Störtebeker eine große
Menge Wachs geraubt haben - und für einen Zentner russisches Bienenwachs zahlt
man in England zwei Pfund Sterlingsilber. Weiter wird beklagt, dass
"certaine
malefactors of Wismar and Rostok, and others of the Hanse, namely Godekin Mighel,
Henrie van Hall, de Stertebeker, in the yeere 1399 took out of the ship of
Michael de Burgh..." Die Engländer fordern Schadenersatz von dem
Städtebund, der sich durch diese "gewissen Übeltäter" inzwischen selbst am
meisten geschädigt fühlt.
Währenddessen haben sich die Vitalier auf der Insel Gotland eingerichtet,
mitten in der Ostsee. Dort regiert, gewalttätig und verschlagen, Sven Sture, von
dem "derjenige, der rauben wollte, für die Hälfte seiner Beute ... Aufenthalt
auf dem Land und auf den Schlössern" bekommt. Die Hauptstadt Visby ist ein
uralter Handelsplatz, geeignet, die Beute loszuschlagen und sich zwischen den
Raubfahrten zu pflegen; in der Marienkirche gibt es zudem Beichtgelegenheit -
auf Plattdeutsch.
Die preußischen Städte und der geschäftstüchtige Deutsche Orden lassen ihre
Schiffe jetzt im Geleitzug segeln. Unter dem Schutz von zwei "vredeschepen" mit
80 Bewaffneten gehen sie Mitte Juli 1397 mit Roggen, Kupfer, Holz und Teer an
Gotland vorbei in die Nordsee. Allein die Königsberger Ordensschäfferei schickt
Bernstein, Pelze und Wachs im Wert von 2120 Pfund Groschen nach Flandern; zum
Herbst erwartet man sie mit flämischem und englischem Tuch, mit Wein und Salz
aus Frankreich zurück. Der Hochmeister des Deutschen Ordens Konrad von Jungingen
will wieder freie Schifffahrt auf der Ostsee. Im Frühjahr 1398 sammelt er in
Danzig 84 Schiffe, 4000 Mann und 400 Pferde. Mitte März laufen sie aus und sind
nach vier Tagen vor Gotland. Zu großen Kämpfen kommt es nicht, Anfang April
machen sich die Vitalier in die Nordsee davon, wo sie den mit Holland (und
untereinander) heillos zerstrittenen Friesenhäuptlingen willkommene Verstärkung
werden: "Dabey gönneten sie denselben (den Vitaliern) in ihren Häusern und
Wohnungen Auffenthalt und Wohnung. Dagegen genossen die Friesen von ihrem Raube
alles dasjenige, was ehemals die Städte Wißmar und Rostock von dieser
Victualien-Gesellschaft genossen hatten."
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Neben 7 Hauptleuten mit 114 "gemeinen" Vitalienbrüdern wird am 11. August
1400 einem Johann Störtebeker hier ein Kaperbrief ausgestellt. Ein
Namensvetter? Ein Verwandter? Oder nur ein Irrtum des Schreibers? Jedenfalls
lauern "Gottes Freunde und aller Welt Feinde" jetzt den hansischen
Englandfahrern auf. Und die wollen endgültig Schluss mit den Freibeutern machen.
Am 22. April 1400 gehen Hamburger, auch Lübecker sind dabei, auf die
Unterelbe, treffen am 5. Mai unter Helgoland auf Vitalier, an die 200 Mann in
drei Schiffen, und treiben alle, die sie nicht töten noch fangen können, in die
Flucht. Danach wird Klaus Störtebeker nie wieder aktenkundig.
Ob er zu den Gefangenen gehört, die nach Hamburg gebracht werden? Im
Kämmereibuch des Rates für das Rechnungsjahr 1400, das erst, zusammen mit der
winterlichen Zwangspause für die Schifffahrt, am 22. Februar 1401 endet, liest
man als letzten Eintrag: "1 Pfd. Knokere ad faciendum foveam pro
Vitaliensibus decollatis. 12 Pfd. bedello ad decollandum 30 Vitalienses."
Zwölf Pfund flämische Silbergroschen - wahrlich kein Kleingeld - bezahlt der Rat
dem Büttel für die Enthauptung von 30 Vitaliern, ein Pfund dem Abdecker Knoker,
der die Leichen auf den Schindanger karrte. Knoker könnte dafür drei lübische
Fässer guten Herings kaufen; es wäre etwa auch die Heuer eines Seemanns von März
bis November. Der Name des hochbezahlten Scharfrichters wird nicht
niedergeschrieben - um so einen ist Unheil, den nennt man besser nicht.
Doch noch ist die Piratenplage nicht ausgestanden. Am 24. März 1401, auf dem
Hansetag in Lübeck, schreiben die versammelten Ratssendeboten den preußischen
Städten, dass man auf weiterem Einsatz der Friedensschiffe bestehen müsse, da
Gödeke Michels immer noch "mit synen kumpanen in der zee sint unde lichte in den
Orsund ...", also leicht in den Öresund und wieder in die Ostsee kommen könnte.
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Hamburger Englandfahrer und Ratsherren unternehmen erneut eine
Strafexpedition ins Friesenland. Die Kämmereirechnungen lassen die Konturen des
Dramas ahnen: "Nicolai Schoken et Hinrici Jenevelt super Weseram contra
Vitalienses 230 Pfd. 14 Sch." - in Pfund und Schilling wird eine Fahrt
gegen die Vitalienbrüder auf der Weser abgegolten. Dort hatte man Gödeke Michels
und seine Leute gestellt. Viele werden im Kampf getötet - und viele gefangen:
Die Ausgaben für die "unter dem Rathaus" eingesperrten Holländer, Friesen und
Vitalier belaufen sich auf 193 Pfund und 7 Schilling; 42 Schilling kassiert
Abdecker Knoker, der sie bewachen muss.
"Admiral auf Zeit" gegen die Freibeuter ist zweifelsfrei der Ratsherr und
Englandfahrer Klaus Schoke gewesen; die legendäre
Bunte Kuh, das
einzige in den Kämmereirechnungen namentlich erwähnte Schiff, befehligte Hermann
Nyenkerken, der für Reparaturen von Kampfschäden an dem Schiff 32 Pfund
berechnet. Es hat weder Klaus Störtebeker noch Simon von Utrecht gehört, dem
späteren Ratsherrn und Bürgermeister von Hamburg, dem auf seinem Grabstein
einmal der alleinige Sieg über die Vitalier zugeschrieben werden wird. Immerhin
- der erst vor Jahresfrist aus Holland zugezogene Neubürger war ganz
offensichtlich beim Kampf dabei; ihm werden für Arbeiten und zerstörtes
Schiffsgerät nach der Gefangennahme "Godeke Michahelis et alii" 48
Pfund und für Anker Spieße und Zimmermannsarbeiten 6 Pfund bezahlt. Auch Werner
von Uelzen bekommt 24 Pfund für die Gefangennahme Gödeke Michels, und Heinrich
Jenevelt werden die Auslagen eines Festmahls für die Armbrustschützen mit 6
Pfund erstattet. Dann wird noch einmal der Abdecker honoriert:
"3 Pfd.
Knokere ad sepeliendum 73 personas Vitalienses" - Knoker muss 1401 gut
sechs Dutzend Vitalier verscharren, der Lohn wird diesmal verdreifacht, dann ist
die "Blutarbeit" getan.
Ein frommer Sieger schreibt am Vorabend seiner Abreise, dem 24. März 1402,
sein Testament: "Ik, Nikolaus Schoke, radman to Hamborch, ... hebbe willen to
wanderen peregrimatze to troste unde to zalicheit myner zele." Das Reisegeld für
Schokes Pilgerfahrt um Trost und Seligkeit kommt aus der Ratskasse. Das ist
hamburgisches Recht, denn wie für Schäden beim Anlegen, in Seenot über Bord
geworfene Ladung oder Seeräubern gezahltes Lösegeld werden auch die
"Einlösekosten" für ein in höchster Gefahr auf See getanes Gelübde vom
Befrachter erstattet. Im Kampf gegen die Vitalier war das der Rat der Stadt, dem
schon am 14. Oktober 1359 Kaiser Karl IV. die "freie Vollmacht" verliehen hatte,
"Räuber jeglicher Art innerhalb eures Territoriums aufzusuchen, festzunehmen und
nach den heiligen Gesetzen zu der verwirkten Strafe zu verdammen, desgleichen
ihre Helfer und Gehilfen".
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Noch über 200 Jahre lang werden die Köpfe hingerichteter Seeräuber auf dem
Grasbrook am Hafen "up pale gesettet", auf Pfähle gesetzt: So bannt man
Wiedergänger. Zu den Hinrichtungen der Jahre 1400 und 1401 gibt eine Hamburger
Chronik erst 50 Jahre später den Hinweis: "... ward Wichman unde Stortebeker
afghehouwen altohant (mit dem Schwert geköpft) na Feliciani", nach dem großen
Hamburger Jahrmarkt vom 20. Oktober, einem Ereignis also, das den Zeitgenossen
gewiss einprägsam war.
1888 finden Bauarbeiter auf dem Grasbrook zwei menschliche Schädel, die
Enthauptungsspuren zeigen und durch die eiserne Schiffsnägel getrieben worden
waren. Da gehörte Klaus Störtebeker längst zum unverwüstlichen Legendenschatz
der Norddeutschen.
Doch ein Mythos ist keine Lüge - dem, der einst die Reichtümer der Welt auf
seinem Rücken aus den Koggen in die Speicher schleppte, war das Leben als
Vitalienbruder allemal die Alternative. Der vogelfreie Pirat, der nach eigenem
Gesetz handelnde Kraftkerl, geriet zur Wunschfigur des armen Schluckers,
spätestens abends, nach des Tages Last, wenn er den "Becher stürzte". Der
Schemen füllte sich allmählich, wurde zu Klaus Störtebeker, dem Pirat der
Piraten - natürlich mit einem riesigen Schatz.
An den deutschen Küsten anno 2000 hat man diesen längst gehoben:
Ferienstraßen und Festivals, Kneipen und Schnäpsen musste der Freibeuter seinen
Namen überlassen. So lebt er gespenstisch weiter, der unbekannte Mann, der
Störtebeker hieß.
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