Sie ist
kaum größer als ein Malediven-Atoll: Nur 300 Meter breit und 600 Meter lang,
lässt sich die im Chiemsee gelegene Fraueninsel bequem in 15 Minuten umrunden.
Doch auf diesem Flecken Land inmitten des "Bayerischen Meeres" finden sich nicht
nur jede Menge Kultur und Geschichte, sondern vor allem auch Idylle in geballter
Form: Alte Fischerhäuschen ducken sich unter noch älteren Bäumen, unter makellos
blauem Himmel türmen sich majestätisch die Alpen, und statt Motorenlärm
durchbricht hier höchstens das Quaken der Enten gelegentlich die beschauliche
Stille.
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In Sichtweite der Herreninsel mit dem Schloss Herrenchiemsee gelegen, hat sich
die Fraueninsel trotz der gerade in der Hauptsaison laufend anlegenden
Touristendampfer einen Rest von Ursprünglichkeit bewahrt. Den Mittelpunkt der
Insel mit 300 Einwohnern bildet die bereits im 8. Jahrhundert gegründete
Benediktinerinnen-Abtei Frauenwörth, deren Glockenturm mit seiner Zwiebelhaube
weit über den See hin zu sehen ist.
Auf dem Weg zur Klosteranlage sollten Besucher links und rechts des Weges die
Nase in die Beete halten: In ihrem Kräutergarten bauen die Nonnen Heilkräuter
zum Hausgebrauch, aber auch für ihren bekannten Likör an, den sie im
klostereigenen Laden verkaufen. Aus der Gründungszeit des Kloster ist nur ein
Gebäude erhalten geblieben: Die der Abtei vorgelagerte Torhalle mit ihren
byzantinisch anmutenden Fresken. Heute
werden in der Torhalle Kunstwerke aus dem frühen Mittelalter ausgestellt. In
seiner langen Geschichte diente das Gebäude aber auch schon als Schulzimmer und
als Atelier und Ausstellungsraum für die "Chiemseemaler", die frühere
Künstlerkolonie auf der Fraueninsel.
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Als Gründer des
Klosters Frauenchiemsee gilt Herzog Tassilo, die Weihe der
Klosterkirche vollzog 782 Bischof Virgil von Salzburg. Im Jahr
788 fiel Kloster Frauenchiemsee Karl dem Großen zu, von dem es
an seinen Enkel Ludwig den Deutschen kam. Nach den
Ungarneinfällen lebte das Kloster wieder auf und konnte sich vom
11. bis zum 15. Jahrhundert einer langen Blütezeit erfreuen.
In den Jahren
1728–1732 wurde der dringend notwendig gewordene Neubau der
Klostergebäude durchgeführt. Als zweiter Klostergründer nach der
Säkularisation kann König Ludwig I. gelten, der 1837 die
Wiederherstellung des Klosters veranlasste. Die Grundmauern der
Kirche, vielleicht auch Teile des aufgehenden Mauerwerks,
stammen wohl noch aus karolingischer Zeit. Gesichert ist aber,
dass die heutige Kirche bereits im 11. Jahrhundert stand.
Anbauten und Umbauten folgten im 12. und 13. Jahrhundert.
Entscheidend veränderte der Einbau des Netzrippengewölbes in den
Jahren 1468–1476 das innere Erscheinungsbild des Gotteshauses.
1688–1702 erfolgte schließlich die Aufstellung der Barockaltäre.
Während der Innenrestaurierung im Jahre 1928 wurden romanische
Fresken im Chorumgang entdeckt, 1961 die Fresken aus dem 12.
Jahrhundert auf dem heutigen Dachboden der Kirche.
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Zum eigentlichen
Wahrzeichen des Chiemgaus wurde der nordwestlich vor der Kirche
stehende Glockenturm. Die unteren beiden Geschosse des
achteckigen Turmes stammen wohl aus dem 12. Jahrhundert, das
obere wurde 1395 aufgesetzt. Seine charakteristische
Zwiebelhaube erhielt der Turm im Jahre 1626. Der Turm gehört
nicht zur Uranlage des Klosters, wurde aber über den Fundamenten
eines vermutlich karolingischen Gebäudes errichtet.
Direkt an das Münster schließt sich der Inselfriedhof an, dessen
Grabsteine viel über die Geschichte der Insel und ihre Bevölkerung erzählen.
Neben Fischern und Handwerkern fanden hier den Inschriften zufolge auch
zahlreiche zugewanderte Intellektuelle ihre letzte Ruhe - vom
Universitätsprofessor über Schriftsteller bis hin zu Kammersängern. „Das
Inselchen erfreut sich immer noch einer großen Beliebtheit und es fehlt nicht an
Pilgern, die eine Einsamkeit suchen und gern etliche Tage oder Wochen da
verleben.“ So berichtet Ludwig Steub im Jahre 1860 von der Fraueninsel und ist
damit nicht der erste, der im 19. Jh. das Eiland lobt. Die „weltlichen“
Entdecker waren vier junge Maler: Max Haushofer, Franz Trautmann und die Brüder
Karl und Josef Boshardt. 1841 wurde die Künstlerchronik von dem Maler und
Schriftsteller Friedrich Lentner begründet. Zu dieser Künstlergilde der Insel
zählten im Laufe der Jahrzehnte bedeutende Namen, so zum Beispiel die Maler Karl
Raupp, Josef Wopfner, Hermann Kaulbach, Wilhelm Leibl und die Schriftsteller
Ludwig Steub, Felix Dahn, Victor von Scheffel und Ludwig Thoma. Die Suche nach
weiteren „Sehenswürdigkeiten“ auf der Fraueninsel erübrigt sich, da ja das
Eiland im ganzen eine Sehenswürdigkeit ist, die aus dem Dreiklang von Alpensee,
Insel- und Fischerdorf und uraltem Inselkloster besteht.
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Fischer und Handwerker spielen auf der Fraueninsel bis heute eine wichtige
Rolle. Frisch gefangenen Fisch bekommen Gäste umgehend in einem der Wirtshäuser
auf den Teller. Vor der Werkstatt der Inseltöpferei trocknet die gerade gedrehte
Keramik in der Sonne. Auf einem schmalen Uferpfad laufen die Touristen vorbei an
üppig blühenden Bauerngärten. Die Atmosphäre ist beinahe entrückt, nicht ganz
von dieser Welt. Doch das energische Tuten des Dampfers unterbricht die
Gedanken: Wer hier nicht übernachten will, darf das letzte Schiff von der Insel
zum Festland nicht verpassen.
Weitere Informationen
Abtei Frauenwörth
83256 Frauenchiemsee
Tel.: 08054 / 907-0
Fax: 08054 / 7967
Frauenwoerth@t-online.de
www.frauenwoerth.de
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