13. Februar 1945: Nachdem britische und amerikanische Bomber
ihre tödliche Last über Dresden abgeworfen hatten, bot sich den
Einwohnern ein grausiges Bild: Mehr als 25.000 Tote und 20.000
Schwerverwundete. Dresden ist vollkommen zerstört. Von der
Frauenkirche bleiben zwei Stümpfe und ein elf Meter hoher
Trümmerberg.
Schwärmerisch wird Dresden, nicht
nur von Lokalpatrioten, auch Elbflorenz genannt. Herzstück und Seele der
sächsischen Barock- und Residenzstadt ist die 1734 erbaute Frauenkirche. Der
Ratszimmermann George Bähr schuf eine in Europa einzigartige Kuppelkonstruktion
mit einem prächtigen Altar im Innern. Auf der Silbermannorgel ließen Johann
Sebastian Bach und Max Reger ihre Werke erklingen.
Über zweihundert
Jahre lang hatte die "steinerne Glocke", wie die Dresdner ihre
Kirche nannten, das Bild der Stadt beherrscht. Mehr als 3500
Gläubige fanden unter der Kuppel Platz, damit galt die
Frauenkirche als größtes Gotteshaus nördlich der Alpen. Kurfürst
August der Starke (1670-1733) hatte sie für seine
protestantischen Untertanen erbauen lassen, als er selber zum
Katholizismus konvertierte, um König von Polen werden zu können.
Ein "feste Burg" für die Sachsen, die ihrem Glauben treu bleiben
wollten.
Als feste Burg
hatte sich die Frauenkirche auch im Siebenjährigen Krieg
erwiesen. Alle Kugeln der preußischen Truppen waren an ihren
dicken Mauern abgeprallt. Schließlich ließ Preußenkönig
Friedrich II. die Kanonade einstellen. "Schade ums
Schießpulver", soll er seinen Soldaten zugerufen haben. "Lasst
den alten Trotzkopf ruhig stehen."
Sogar in der
Bombennacht des 13. Februar 1945 schien die Frauenkirche
zunächst dem Inferno standhalten zu können. Doch zwei Tage nach
dem Feuersturm stürzte sie in sich zusammen: Temperaturen von
mehr als tausend Grad hatten die Kirchenfenster platzen lassen
und alles, was aus dem Kirchenraum nicht auf der nahen Festung
Königsstein in Sicherheit gebracht werden konnte, in Brand
gesetzt. Die steinerne Glocke war buchstäblich von innen
verglüht. Das Inferno der Bombennächte lässt von Dresdens
Bürgerstolz und Seele nur einen Schutthaufen übrig.
Nach Kriegsende
kämpfen die Menschen zunächst ums nackte Überleben, um ein Stück
Brot, um eine Wohnung. Was heute in Vergessenheit geraten ist:
Schon 1947 wird eine Lotterie zum Aufbau der Frauenkirche
gestartet. In den 50er Jahren setzt ein ideologischer Kampf um
die Ruine ein. Dresden soll als sozialistische Stadt aufgebaut
werden, ohne Kirche. Die Anhänger des alten Dresden aber wollen
wenigstens jenen Ort als Symbol ihrer untergegangenen
Bürgerstadt bewahren. Die SED nutzt das Ruinenfeld der
Frauenkirche als emotionale Bühne und erklärt sie zum "Mahnmal
gegen Faschismus und Krieg".
 |
Zur Wendezeit, im Februar 1990,
geht ein Aufruf von zehn Dresdnern zum Aufbau der Frauenkirche um die Welt. Der
Appell verhallte nicht ungehört: Aus aller Welt trafen Hilfsangebote ein. Schon
bald konnten sich Hunderte von freiwilligen Helfen daran machen, die Ruine zu
enttrümmern. Denn die Rekonstruktion sollte exakt den Plänen des Dresdner
Hofbaumeisters George Bähr (1666-1738) entsprechen. Unzählige Fassadenstücke und
Mauersteine, rund zwanzig Prozent der ehemaligen Bausubstanz, wurden aus dem
Trümmerberg geborgen und mit einem "elektronischen Steckbrief" versehen, um sie
beim Aufbau wieder an der ursprünglichen Stelle einsetzen zu können - ein
gewaltiges Puzzlespiel, bisher einzigartig in der Welt. Maurer, Gerüstbauer und
Steinmetze arbeiteten Tag und Nacht, im Sommer und Winter, bei Regen und Schnee.
Möglich machte das ein Wetterschutzdach, das mit jedem Meter, den die
Frauenkirche wuchs, hydraulisch angehoben werden konnte.
 |
Rund 179
Millionen Euro hat der Wiederaufbau gekostet, eine Summe, die zu
einem großen Teil aus Spenden aufgebracht wurde, aber auch durch
den Verkauf von Bildern und Büchern, von Postern und Postkarten,
von Vasen, Tellern und Glocken aus Meißener Porzellan, von
Uhren, Kerzen und Schmuck mit dem Abbild der Frauenkirche.
1993 war das
Originalkreuz unter den Schuttmassen gefunden worden, es war
allerdings zu schwer beschädigt, um es wieder aufsetzen zu
können. Ein englischer Freundeskreis für den Wiederaufbau
übernahm die Neuanfertigung. Den Auftrag erhielt per Zufall ein
Künstler, dessen Vater als Bomberpilot am Angriff auf Dresden
teilgenommen hatte. Heute prangt es auf der Kuppel - Zeichen für
Frieden und Versöhnung.
Mit der Wiedererstehung der
Frauenkirche verbinden sich viele Wünsche und Hoffnungen - auch diese: Die Toten
der Bombennächte nicht zu vergessen und die neue Kirche als Stätte der
Versöhnung zu begreifen.
|