Für König
Ludwig II. von Bayern war der französische „Sonnenkönig“ Ludwig
XIV. die ideale Verkörperung des Königtums. Im Neuen Schloss
wollte er sein lange geplantes Projekt eines „Neuen Versailles“
verwirklichen, weniger als bewohnbares Schloss gedacht, sondern
als glanzvolle Versinnbildlichung des Absolutismus. Das Neue
Schloss ist aber keine reine Kopie von Versailles, sondern
zitiert sein Vorbild in einigen typischen Teilen wie der
Hauptfassade, Spiegelgalerie und Gesandtentreppe. So ist Schloss
Herrenchiemsee, wenn auch unvollendet geblieben, ein
eigenständiges Zeugnis des Historismus: Das Monument eines
Königs, der seine königliche Rolle nur noch in der Fantasie
spielen konnte.
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1873 hatte König Ludwig II. die Insel im "Bayerischen Meer", wie der Chiemsee
auch genannt wird, erworben. Weit ab von der Residenzstadt München, umgeben von
idyllischer Landschaft, wollte sich der exzentrische Monarch hier ein ganz
persönliches Königreich schaffen. Zunächst zog der Märchenkönig dafür in das
Alte Schloss, ein ehemaliges Benediktinerkloster. Nach dem Kauf der Insel ließ
er sich im Ost- und im Südflügel dort eine Privatwohnung einrichten. Davon sind
heute nur noch wenige Überbleibsel zu sehen. Eine größere Rolle als der Monarch spielt in den streng anmutenden Gemäuern
die jüngere Vergangenheit: Im früheren Speisesaal des Königs, heute schlicht
Zimmer Nummer 7 genannt, tagte im Jahr 1948 der so genannte Verfassungskonvent,
der für den Parlamentarischen Rat in Bonn einen Verfassungsentwurf konzipierte.
Schilder zeigen an, wer damals an welchem Platz saß. Zahlreiche Dokumente und
Fotografien in der dazu gehörigen Ausstellung illustrieren den
Entstehungsprozess des Grundgesetzes.
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Trotz seiner langen Geschichte lassen viele Besucher das Alte Schloss links
liegen und spazieren lieber gleich weiter zum Neuen Schloss. Auch wenn das
ebenfalls von Ludwig II. erbaute Neuschwanstein weltweit als das Märchenschloss
schlechthin gilt, war Herrenchiemsee für den Monarchen selbst vermutlich der
größere Traum. 1878 begann er hier mit dem Bau eines "Neuen Versailles", acht
Jahre später wurde das Projekt wegen Geldmangels wieder abgebrochen.
Allsommerlich ziehen die Festspiele auf Herrenchiemsee, am Hof Ludwigs II.,
Menschen an, die abseits vom Festivalrummel ein wohltuend anderes Musikerlebnis
genießen möchten. Man besteigt das Schiff in Prien, um sich auf der Insel per
pedes oder Pferdekutsche dem Ludwig´schen Prachtbau zu nähern. Und freut sich
auf ein königliches Konzerterlebnis am Hof Ludwigs II.
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Die Festspiele Herrenchiemsee
sind dem genius loci, dem besonderen Charakter ihrer Aufführungsstätte, in
besonderer Weise verpflichtet. Denn die Herreninsel ist als einer der
wichtigsten kulturhistorischen Standorte Deutschlands weit mehr als nur die
romantische Kulisse für ein weltbekanntes Königsschloss. So zählen die
Chiemsee-Inseln zu den frühesten belegten Siedlungsräumen des bayerischen
Voralpenlandes. Im 7. Jahrhundert entstand hier eines der ersten Zentren der
Christianisierung Süddeutschlands nach der Völkerwanderung. Bis in die
napoleonische Zeit beherrschte das Bistum Chiemsee die Region als religiöses und
künstlerisches Zentrum mit bedeutender Musiktradition.
Fertig wurde neben der Fassade unter anderem die Spiegelgalerie, die zusammen
mit etwa 20 weiteren Prunkräumen im Rahmen einer Führung besichtigt werden kann.
Mit einer Länge von knapp 100 Metern übertrifft der prächtig ausgestattete Saal
sogar sein Vorbild in Versailles. Während der Führungen können Besucher auch
einen Blick in das Prunkschlafzimmer werfen. Dieser Raum sollte nach den
Gepflogenheiten des Absolutismus das Zentrum des Schlosses bilden. Genächtigt
hat der König dort jedoch niemals. Wie der Rest des Prachtbaus diente auch
dieses verschwenderisch verzierte Zimmer zum glanzvollen Repräsentieren.
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Während im Schloss selbst viele Räume nicht einmal mehr gestrichen werden
konnten, wurde die Parkanlage rund um das Gebäude noch weitgehend fertig
gestellt. Eine Vielzahl verspielter Brunnen und Fontänen säumt den Weg durch den
Park hinauf zum Haupteingang. Von dort aus fällt der Blick durch die in den Park
geschlagene Schneise hinab bis auf den See. Der Kahlschlag für das majestätische Panorama gilt als eine der wenigen
Umweltsünden auf Herrenchiemsee - zumal auf der Insel eine völlige Abholzung
gedroht hatte, bevor sie der König Holzhändlern aus Württemberg abkaufte.
Mancher feiert den Monarchen heute deshalb als einen der ersten Umweltschützer.
Und angesichts des Naturidylls aus dichtem Wald, Viehweiden und Obstwiesen
überall auf der Insel erscheint das nicht einmal mehr so abwegig.
Auf einem Rundweg kann man die
230 Hektar große Insel, die in einen Naturpark verwandelt wurde, in etwa 2
Stunden umwandern, vorbei an dichten Waldbeständen, Viehkoppeln und Obstwiesen.
Einen besonderen Genuss bieten die herrlichen Aussichten auf die Bergkette der
Alpen. An der Nordspitze der Insel befindet sich die Seekapelle zum Heiligen
Kreuz aus dem 17. Jahrhundert, die von der Schiffsanlegestelle leicht zu
erreichen ist.
Weitere Informationen:
Schloss- und
Gartenverwaltung Herrenchiemsee
Altes Schloss 3
83209 Herrenchiemsee
Tel: 08051/688 70
Fax: 08051/68 87 99
www.herrenchiemsee.de
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