Zu den
bedeutendsten Relikten vorromanischer Baukunst in Deutschland
gehört die weltberühmte Tor- oder Königshalle in Lorsch.
Obgleich weder die Bauzeit noch die Funktion des karolingischen
Gebäudes bekannt sind, stehen seine prachtvolle Dekoration an
Fassade und im Obergeschoß gleichsam stellvertretend für die
Qualität der verlorenen Bausubstanz eines der
größten Reichsklöster des Frankenreiches: Kloster
Lorsch.
Gestiftet wurde Lorsch bereits im Jahre 764 von der
rupertinischen Gaugrafenfamilie als Benediktiner-Kloster. Die
ersten Mönche kamen aus dem Reformkloster Gorze. Seit der
Übertragung der Reliquien des Hl. Nazarius wurde das Kloster mit
beispiellos vielen Schenkungen bedacht, so dass die Mönche von
Lorsch mit ihren riesigen Besitzungen von der niederländischen
Nordseeküste bis südlich des Bodensees bald zu den größten
Grundbesitzern östlich des Rheins gehörten. 772 übereignete Abt
Gundeland sein Kloster Kaiser Karl dem Großen, das dadurch zu
einer Reichsabtei mit etlichen Privilegien wurde.
Lorsch war ein kulturelles Zentrum im Karolingerreich; als König
Ludwig der Deutsche es als Grablege für sich und seine Dynastie
auswählte, erhielt das Kloster im späten 9. Jahrhundert eine
repräsentative bauliche Erweiterung. Aus dieser Zeit stammt
vermutlich auch die sogenannte Königs- oder Torhalle. Bis 1090
sind rund 20 Herrscherbesuche in Lorsch belegt; 1052 weilte
Papst Leo IX. am Ort.
1090
beendete eine Brandkatastrophe die Blütezeit des Klosters und
Lorsch konnte sich lediglich noch als regionales Zentrum im
Odenwald behaupten. 1232 verlor die Abtei schließlich ihre
Reichsunmittelbarkeit und wurde dem Erzstift Mainz einverleibt.
Im gleichen Jahr verließen auch die Benediktiner den Ort, wurden
aber zunächst von Zisterzienser-Mönchen (1232-1248) und
schließlich von Prämonstratenser-Chorherren abgelöst, die das
klösterliche Erbe rund 300 Jahre lang fortsetzten. Sie
rekrutierten ihren Nachwuchs aus allen Schichten der Bevölkerung
und versahen zahlreiche Pfarrstellen der näheren Umgebung. Im
14. Jahrhundert kam es noch einmal zu einer auch baulichen
Nachblüte des Klosters, dessen Bibliothek an der Schwelle zur
Neuzeit zahlreiche vor allem Heidelberger Humanisten und
Gelehrte anzog.
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Seit
1461 an die Kurpfalz verpfändet erlebte Lorsch zunächst die
Einführung der Reformation und 1556/57 die Aufhebung des
Klosters und die Umwandlung in eine weltliche Schaffnerei. Um
1615 entstand die einzig vorhandene Abbildung des Klosters durch
Matthäus Merian d.Ä.; kurz darauf wurde die Anlage durch die
Truppen der katholischen Liga zerstört. Bis auf die
Klostermauer, einem zur Tabakscheune umfunktionierten Fragment
des Mittelschiffs der Kirche, der karolingischen Königshalle und
einer wohl nachklösterlichen Zehntscheune erinnert nichts mehr
an die einst vorhandene Klosterstadt. Nach der Rückgewinnung und
Rekatholisierung Lorschs durch Mainz im Jahre 1623 war zwar eine
Wiederbesiedlung mit Prämonstratensern geplant, die aber wohl
aus ökonomischen Gründen und des schlechten Zustands der
Baulichkeiten wegen wieder verworfen werden musste. Gegen Ende
des 17. Jahrhunderts entstand auf dem Gelände ein
Jagdschlösschen
des Mainzer Erzbischofs mit entsprechenden Wirtschaftsbauten,
Park- und Nutzflächen.
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Ein
reichhaltiges Lapidarium, bedeutende Bestände der ehemaligen
Klosterbibliothek an heute mehr als 50 Standorten weltweit und
eine der frühmittelalterlichen Klosterkultur Mitteleuropas
gewidmete Abteilung des Museumszentrums Lorsch lassen den
Besucher den einstigen Glanz ahnen. Im Kirchenrest ist eine
kleine Auswahl hochwertiger Bauplastik zu sehen, für
wissenschaftliches Publikum ist ein Mikrofilmarchiv aller für
Lorsch bezeugten Handschriften und ein archäologisches und
bauplastisches Funddepot im Keller des Kurfürstlichen Hauses
zugänglich. Die Anlage des Klosters, zu der seit dem Jahr 2000
ein umfangreicher Kräutergarten nach dem Lorscher Arzneibuch
gehört, wird von der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und
Gärten Hessens unterhalten und präsentiert.
Weitere
Informationen:
Museumszentrum Lorsch
Nibelungenstraße 32
64653 Lorsch
Telefon 0 62 51-5 14 46 (Sprechstunde)
0 62 51-1 03 82 - 11 (Empfang)
Fax 0 62 51-58 71 40
muz@kloster-lorsch.de
www.kloster-lorsch.de
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