Der obergermanisch-rätische Limes hat das
römische Weltreich zur Zeit seiner größten Ausdehnung gegen das freie Germanien
hin abgegrenzt.
Als eine der ersten Grenzen Europas symbolisierte
der 550 Kilometer messende Wall Größe und Macht. Er bestand aus
rund 100 Kastellen und noch einmal so vielen Feldwachen, sowie etwa 900
Wachtürmen.
Kaiser Trajan war es, der das anfängliche
Schneisensystem des Limes, in dessen Sichtachsen Holztürme zur Überwachung
standen, durch eine drei Meter hohe Palisadenwand aus Eichenbohlen zu einer
geschlossenen Grenze machte. Etwa 100 Jahre später ersetzte man die Palisade
durch Wall und Graben. Auf den letzten 167 Kilometern, dem rätischen Limes,
wurde der Wall sogar als Steinmauer ausgeführt. Die Holztürme wurden durch
zweistöckige, zehn bis zwölf Meter hohe Steintürme abgelöst. Fertig war der
Limes. 260 nach Christus machten ihm allerdings die Alemannen den Garaus.
Nicht nur die schiere Größe des Limes ist
beeindruckend. Auch die technischen Meisterleistungen faszinieren bis heute.
Etwa die der römischen Landvermesser, die ohne Theodolith oder Satellitenortung
den Grenzwall auf 80 Kilometer Länge (zwischen Walldürn und dem Haghof bei
Welzheim) bolzengerade gezogen haben - quer durch die Landschaft, ohne Rücksicht
auf die Topographie.
Der obergermanische Limes beginnt bei Rheinbrohl,
wo der Vinxtbach in den Rhein mündet. Der Bachlauf bildete die Grenze zwischen
den römischen Provinzen Nieder- und Obergermanien. Im Rotenbachtal bei
Schwäbisch Gmünd, wo die Provinzen Obergermanien und Rätien aneinander stießen,
beginnt der rätische Limes. Er endet nahe Regensburg, bei Hienheim an der Donau.
Niemand reist heute den ganzen Limes ab. Es genügt, zur Saalburg bei Bad Homburg
zu fahren. Hier ist die Welt der Römer kompakt zu besichtigen.
Im lichten Buchenwald bei Bad Homburg schleppt
sich ein Römer mit schwerem Kettenhemd dahin. Hermann der Hesse. Die Kinder
lachen über den Namen, Ältere schmunzeln. Auf dem Kopf trägt Hermann einen
kupferblinkenden Kampfhelm, an den Füßen rustikale Sandalen, und es rasselt,
wenn er einen Ast aus dem Weg schiebt.
Den Troß, der ihm folgt - neuzeitlich gekleidet,
mit Fotoapparaten und Videokameras - bringt er zu der Stelle im Wald, an der ein
Palisadenzaun aus Eichenhölzern aufgerichtet ist und Gräben und Wälle den
Waldboden zerfurchen. Vor mehr als 1800 Jahren ist das alles entstanden: ein
römisches Bauwerk auf deutschem Boden, der Obergermanisch-Rätische Limes.
Seit Sommer 2005 ist er Welterbe der Unesco und
damit den ägyptischen Pyramiden oder der Inkastadt Machu Picchu gleichgestellt.
Kriterien für die Aufnahme waren historische Echtheit, Einzigartigkeit und ein
überzeugender Erhaltungsplan, zu dem sich die Länder Bayern, Baden-Württemberg,
Hessen und Rheinland-Pfalz verpflichtet haben. Der Limes (lat. für Schneise,
Grenze) erstreckt sich als längstes Denkmal Deutschlands - und als zweitlängstes
der Welt nach der Chinesischen Mauer - entlang der Flüsse Donau, Rhein und Main
und war eine pseudomilitärische Befestigung. Sie diente der Personenkontrolle,
denn Kaiser Augustus und seine Nachfolger auf dem Thron des Weltreiches Rom
waren schlau und wollten vom wirtschaftlich lukrativen Germanien profitieren.
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Die Grenzlinie, die sie zwischen 120 und 160 n.
Chr. nach dem neuesten Stand der Technik bauten, war ein Herrschaftszeichen,
sollte aber den regen Handel mit den Germanen nicht behindern. Der Limes bot die
Möglichkeit, legal den Warenverkehr zu kontrollieren. Und er war
architektonische Propaganda. Seht her, verkündete die martialische Anlage -
einen Meter dick und bis zu drei Meter hoch die Palisaden - so baut eine
Weltmacht!
Die Angesprochenen ließen sich auf Dauer nicht
beeindrucken, um das Jahr 230 rannten erstmals germanische Heere gegen den Limes
an, im Teutoburger Wald wurden 18 000 römische Soldaten massakriert, und um 260
gaben die Römer den Limes auf. Der Rückzug leitete den Zerfall des Reiches ein,
und es wurde wahr, was der Historiker Tacitus in seinem Buch "Agricola"
angekündigt hatte, in dem er die römischen Heere attackiert: "Ihr seid die
Räuber des Erdkreises. Stehlen, morden und plündern nennen sie Herrschaft, und
wenn sie eine Wüste geschaffen haben, nennen sie es Frieden." Beim Jupiter, was
hatten die Söhne des Imperium Romanum in Germanien zu suchen? Sie hinterließen
ein imperiales Bauwerk, das nur Größe und Macht symbolisierte. Sie opferten
eigene Leute: die einen von Bäumen erschlagen, andere holten sich im
mitteleuropäischen Notstandsklima den Tod.
Hermann der Hesse wirkt putzig, wenn er über die
549 Kilometer lange Verteidigungslinie mit 900 Wachtürmen, 60 Kasernen und 55
000 Soldaten erzählt. Wenn er berichtet, wie die Römer ganze Wälder abholzten,
alle 30 Jahre die morsche Palisade erneuerten und sich von Wachturm zu Wachturm
mit Lichtzeichen und Spiegeln verständigten. Mancherorts auch mit dem Cornu, dem
riesigen Messinghorn, dessen Töne bis zu acht Kilometer weit trugen. Aber
Hermann sagt nichts über die unfassbare Einsamkeit der Römer, die auf Jahre
fernab der mediterranen Heimat ihr Dasein fristeten, ohne Familien, für viele
keine Hoffnung auf eine Rückkehr. Kein Wunder, dass eine Umfrage belegt,
italienische Touristen würden bis heute Deutschland nördlich des Mains eher
meiden.
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Am 11. Oktober 1900 betrat Wilhelm II.,
Deutschlands letzter Kaiser, das einstige Legionärslager durch die Porta
praetoria, vorbei an der Bronzestatue des Antonius Pius. Er legte den Grundstein
für den musealen Ausbau dieses Monuments des römischen Imperiums. Über eine
gedachte "Via triumphalis" zog Wilhelm in das Areal. Ein Wiesbadener
Schauspieldirektor hatte sich den "Event" ausgedacht, ließ preußische Soldaten
als Legionäre auflaufen und die Honoratioren Bad Homburgs waren sich nicht zu
fein, germanische Edle in Bärenfellen zu geben. Wilhelm war ein imperial
gesinnter Kaiser, Jahre später trieb er die Deutschen in den Ersten Weltkrieg.
Den verlor er, aber noch im holländischen Exil schwärmte er von seiner Saalburg.
Deren Rekonstruktion blieb die einzige Ruhmestat des Monarchen.
An dem Römerkastell, einem Teil des Limes, sieben
Kilometer nordwestlich von Bad Homburg, sind nur noch die Grundmauern original.
Aber nach dem Unesco-Votum soll ein "Archäologischer Park" entstehen. Der Taunus
war für die Römer von großer strategischer Bedeutung. Auf seinem Höhenrücken
entstand nicht nur ein Wall- und Grabensystem mit Türmen, sondern auch die Lager
Feldbergkastell, Saalburg und Kapersburg. Neben der Saalburg, dem bereits
gehobenen archäologischen Schatz, sollen die anderen Standorte in einer
kulturhistorischen "Erlebnisschneise" in den Archäologischen Park einbezogen
werden - mit Ruinen, Lehrpfaden und der Rekonstruktion eines Kleinkastells.
Die
Außenmauern des Kastells waren übrigens weiß verputzt, denn die Römer wollten sich nicht
in die Landschaft einfügen, sondern auffallen. Und die Garnison bestand aus Britonnen und Rätern, vulgo Engländern und Bayern, was, denkt man an Fußball und
Oktoberfest, eine knallharte Mischung gewesen sein muss.
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Zurück zum Park. Inmitten des Parks steht die Saalburg als
Informationszentrum mit Museum, in dem schon heute historische Gegenstände aus
der Römerzeit gezeigt werden. Wer es satt hat, immer nur Fundamente zu
bestaunen, ist hier richtig und unter 150 000 Besuchern jährlich nicht allein.
Doppeltore und zinnenbekrönte Mauern, Mannschaftsbaracken und das Haus des
Kommandanten, Backöfen und Getreidespeicher, das Speisezimmer eines Zenturios,
Fahnenheiligtum und Exerzierhalle befördern den Besucher schnurstracks in die
Römerzeit. Die Ausstellung informiert anschaulich über die Geschichte des
Römischen Reiches, das Leben am Limes und die römische Armee. Es gibt
Brotbacktage, an denen das Hauptnahrungsmittel des Legionärs serviert wird. Es
werden Katapultschießen und kulturgeschichtliche Vorträge angeboten.
Die republikanischen Nachfahren des Kaiserreichs
können hier "lucanische Bratwürste nach original römischem Rezept" kaufen und
sich in Römerkostümen ablichten lassen. Es gibt "Römische Abende für
Weinliebhaber und Feinschmecker" und Kinder können Spiele aus vergangenen Zeiten
ausprobieren. Besucher werden aber auch über die Vergänglichkeit irdischer
Reiche nachdenken.
Der
Obergermanisch-Raetische Limes wird zusammen mit dem Hadrians Wall in England,
der schon seit 1987 Weltkulturerbe ist, künftig die beiden Teilabschnitte eines
"Transnationalen Weltkulturerbes" bilden. Es soll einmal unter dem Namen
"Grenzen des Römischen Reiches" mehr als zwanzig Staaten entlang aller
Außengrenzen des Imperium Romanum umfassen.
Weitere Informationen:
Verein Deutsche Limes-Straße
Marktplatz 2
73430 Aalen
Tel: 07361 / 52-23 61
limesstrasse@aalen.de
www.limesstrasse.de
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