Wer Schloss Neuschwanstein das
erste Mal sieht, fühlt sich in eine Märchenwelt versetzt:
Neuschwanstein steht hoch auf einem steilen Felsen und besteht
aus sehr vielen spitzen Türmchen.
Der gebaute Traum des Märchenkönigs ist die perfekte
Verschmelzung von Ideal und Wirklichkeit, von Natur und Kunst.
Sagen und Märchen auf den Wandbildern entführen ins Reich der
Phantasie. Eigentlich sollte es ein Fluchtpunkt für Bayerns König Ludwig II. werden -
ein Ort, an den er sich vor der ungeliebten höfischen Welt und den Untertanen
zurückziehen konnte. Doch wie so manches andere scheiterte auch dieses Vorhaben
des unglücklichen Königs.
 |
Nur wenige Tage waren ihm in der Abgeschiedenheit auf Schloss Neuschwanstein
vergönnt, bevor er am 13. Juni 1886 starb. Bereits sechs Wochen nach dem Tod des
Königs wurde das Schloss als Museum zur Besichtigung freigegeben. Seitdem zieht
Tag für Tag durch das Gebäude ein riesiger Strom von Besuchern, für die
Neuschwanstein die vollkommene Verkörperung eines Märchenschlosses ist. Etwa 1,3 Millionen Besucher besichtigen jährlich das auf einem zerklüfteten
Felsen bei Schwangau im Allgäu gelegene Schloss. In der Hochsaison werden rund
7800 Besucher pro Tag verzeichnet. Schon früh am Morgen bilden sich dann vor den Ticketschaltern
lange Schlangen. Aufgereiht zwischen Sperrgittern warten Touristen aus aller
Welt mehr oder weniger geduldig darauf, den Berg hinauf und ins Schloss zu
kommen. Im Winter ist es wesentlich ruhiger, in der kalten Jahreszeit finden
"nur" etwa 4000 bis 5000 Besucher täglich den Weg nach Neuschwanstein. Wirklich
in Ruhe kann man das verwinkelte Schloss zwar auch dann nicht besichtigen, aber
immerhin verkürzen sich die Wartezeiten auf die Führungen erheblich. Denn nur im
Rahmen einer Führung darf das Schloss überhaupt besichtigt werden. Jeweils eine gute halbe Stunde lang schieben sich die Besucher in großen
Gruppen wie am Fließband durch das exzentrische Gebäude, in dem sich der König
unter anderem eine künstliche Kalksteingrotte und einen mittelalterlichen
Sängersaal einrichten ließ.
 |
 |
1868 hatte König Ludwig II. damit begonnen, vor der eindrucksvollen Kulisse
des fast 2000 Meter hohen Tegelbergs Neuschwanstein zu errichten. Inspiriert von
einem Besuch auf der Wartburg, wollte er auf einer alten Burgruine ein Bauwerk
"im echten Styl der alten deutschen Ritterburgen" entstehen lassen, wie er in
einem Brief an den Komponisten Richard Wagner schrieb. In der Abgeschiedenheit der Bergwelt plante der König, die Werke Wagners
Realität werden zu lassen. Entsprechend prunkvoll und reich an Details sind die
Räume ausgestattet. Und auch am Komfort wurde nicht gespart. Ein für damalige
Zeiten äußerst modernes Heißluft-Heizsystem schuf in allen Räumen auch im Winter
angenehm warme Temperaturen. Ausgeklügelte Technik sorgte für fließendes Wasser
im ganzen Schloss. Nicht zuletzt deshalb verschlang der Bau die damals gewaltige
Summe von mehr als sechs Millionen Mark - und das, obwohl von 228 geplanten
Räumen nur ein Drittel ausgebaut wurde.
 |
 |
Fallen die Dienerräume im ersten Stock noch vergleichsweise bescheiden aus,
so wurde 63 Stufen höher im dritten Stock - dem Wohngeschoss des Königs - nicht
an Prunk gespart. Die Innenräume sind reich mit kunsthandwerklichen Arbeiten
geschmückt, man findet Darstellungen aus der Thannhäuser-Sage, aus Lohengrin,
Tristan und Isolde, dem Nibelungenlied, Parzival, Darstellungen aus dem Leben
heiliggesprochener Könige, vom Leben auf der Wartburg und aus dem Leben Walters
von der Vogelweide. Das erste Konzert im Sängersaal wurde im Jahre 1933
anlässlich des 50. Todestages von Richard Wagner abgehalten. Seit dem Jahre 1969
finden alljährlich im September die Schlosskonzerte Neuschwanstein statt.
Den Thronsaal ließ Ludwig II. wie eine byzantinische Kirche
ausstatten. Den Boden zieren kostbare
Mosaike, Licht spendete ein Leuchter in Form einer byzantinischen Krone - nur
der eigentliche Mittelpunkt des Raumes, der Thron, fehlt. Der sei erst wenige
Woche vor dem Tod des Königs bestellt und nach seinem tragischen Ende nie
geliefert worden. In der Nacht vom 11. auf den 12. Juni 1886 erhielt der Monarch in seinem
Schlafzimmer auf Neuschwanstein das Gutachten über seine angebliche
Geisteskrankheit. Entmündigt und für regierungsunfähig
erklärt, wurde Ludwig II. anschließend nach Schloss Berg am Starnberger See
gebracht, wo er am Tag darauf unter niemals ganz geklärten Umständen ertrank.
Geschichte
Eher taucht wohl das verschollene Bernsteinzimmer wieder
auf, als dass sich das Geheimnis um Ludwigs Ende noch lüften
ließe. Nach offizieller Darstellung ist er ertrunken,
doch die genauen Umstände seines mysteriösen Todes sind bis
heute nicht geklärt.
Der Reihe
nach: Mit seinen Schlossbauten und diversen anderen
Ausgaben strapazierte Ludwig die Kabinettskasse so arg, dass
sich der Schuldenberg 1884 bereits auf über acht Millionen
Reichsmark türmte. Spätestens jetzt war für die Minister
gesteigerter Handlungsbedarf gegeben - schon allein
deswegen, weil sie ihre eigene Macht und das Ansehen Bayerns
gefährdet sahen. Ohnehin hielt man Ludwig mittlerweile für
einen Verrückten, dessen man sich entledigen sollte.
 |
 |
Was tun, das
war die große Frage - hatten doch die Bayern in Sachen
Königssturz keine große Erfahrung. Ludwig die Abdankung nahe
legen, das wagte man nicht. Da kam man auf die Idee der
Entmündigung. Dazu musste man ihn zwar für geisteskrank
erklären, aber angesichts seiner Bizarrerien erschien
das den Verantwortlichen durchaus plausibel. Gesagt, getan:
Ministerpräsident Johann von Lutz beauftragte im März 1886
Obermedizinalrat Dr. Bernhard von Gudden, seines Zeichens
Spezialist für Gehirnanatomie (sprich: Irrenarzt), ein
Gutachten über Ludwigs Geisteszustand zu erstellen.
Da man den
König schlecht zum Arzttermin einbestellen konnte, fertigte
von Gudden seine "Expertise" mit dem gewünschten Ergebnis in
Ludwigs Absenz an. "Seine Majestät sind in sehr weit
fortgeschrittenem Grade seelengestört. Allerhöchstdieselben
leiden an jener Form von Geisteskrankheit, die mit dem Namen
Paranoia bezeichnet wird." Das genügte, um dessen
Regierungsunfähigkeit festzustellen und Prinzregent Luitpold
die Regierungsgeschäfte zu übertragen.
Ob Ludwig
tatsächlich geisteskrank war, ist bis heute umstritten.
Immer wieder wurden posthum Diagnosen gestellt, in der Tat
meist mit dem Ergebnis: paranoide Schizophrenie. Zumindest
scheint der in seinen letzten Lebensjahren völlig
Vereinsamte an Halluzinationen gelitten zu haben. Ohne
Zweifel hat er physisch stark abgebaut. Er ernährte sich
unmäßig und ungesund, trank viel Alkohol. Sein einst
schlanker Körper war aufgedunsen und fast alle Zähne fielen
ihm aus. Zum Schlafen benötigte er Medikamente. Am Ende war
er nur noch ein Schatten früherer Tage.
 |
 |
Ludwig saß
derweil auf Neuschwanstein - noch nicht ahnend, was auf ihn
zukam. Um ihm die Nachricht von seiner Absetzung zu
überbringen, schickte man eine Staatskommission zum nahe
gelegenen Schloss Hohenschwangau. In höchst geheimer
Mission. Ein abtrünniger Kutscher eilte allerdings nach
Neuschwanstein voraus und warnte Ludwig. Der ließ flugs das
Schloss absperren, so dass seine Gendarmen den halbherzigen
Angriff aus München locker abschmettern konnte. Man rechnete
auch nicht mit der Königstreue einiger Allgäuer Bauern, die
sich der Kommission wacker in den Weg stellten. Die
Blamage war erstmal perfekt. Kurzzeitig trug sich Ludwig mit
dem Gedanken, vom Schlossturm in den Tod zu springen.
Schließlich kapitulierte er aber vor der Übermacht seiner
Gegner und ließ sich am 12. Juni 1886 widerstandslos nach
Berg am Starnberger See bringen. Dort hatte man Ludwigs
kleines Königsschloss vorsorglich in eine Privatirrenanstalt
umgewandelt. Da saß er nun - rund um die Uhr beobachtet. Ein
Wahnsinniger ist gefährlich, dachte man, und stellte für
Ludwigs Spaziergänge mit Dr. von Gudden Wachpersonal ab.
Nicht aber am
Abend des 13. Juni. Um 18.45 Uhr verließen beide das
Gebäude, doch aus unbekannten Gründen verzichtete von Gudden
diesmal auf Schutzbegleitung. Als sie um 20 Uhr trotz
mittlerweile starken Regens immer noch nicht zurück waren,
wurde man im Schloss langsam unruhig. Alle verfügbaren
Kräfte durchsuchten nun den Park. Mit einem Fischerkahn fuhr
man das Seeufer ab. Gegen 23 Uhr stieß man auf einen
im Wasser treibenden toten Körper - der König in
Hemdsärmeln. Daneben schwamm eine zweite Leiche: die des
vollständig bekleideten von Gudden. Ludwigs Uhr war um 18.54
Uhr stehen geblieben. Die Obduktion ergab bei ihm keine
Verletzungen. Von Guddens Gesicht wies Kratzwunden und einen
blauen Fleck auf. |
 |
Entgegen aller Klischees sind es keineswegs vor allem Japaner und Amerikaner,
die sich für das kitschig-schöne Schloss begeistern. Die Gäste aus Übersee
reisen zwar in großer Zahl an, der größte Teil der Besucher kommt
aber aus dem deutschsprachigen Raum. Dass es die Massen so sehr auf das Schloss zieht
ist erstaunlich, Historisch wäre eigentlich Hohenschwangau viel interessanter. Doch das direkt gegenüber von Neuschwanstein gelegene Schloss, in dem
Ludwig II. seine Kindheit verbracht hat, führt in punkto Besucherinteresse ein
Schattendasein. Märchen faszinieren die Menschen einfach mehr.
Die Zufahrtsstraße zum Schloss
ist für den allgemeinen Kraftfahrzeugverkehr gesperrt. Von den Parkplätzen in
Hohenschwangau sind es zum Schloss Neuschwanstein 25-30 Gehminuten. Im Ort
Hohenschwangau stehen Pferdekutschen bereit, die Sie bis zur 300m unterhalb des
Schlosses gelegenen Burgwirtschaft bringen.
Öffnungszeiten:
1. April - 30.September, 8:30 - 17:30 Uhr
1. Oktober - 31. März, 10:00 - 16:00 Uhr
Geschlossen:
1. November, 24./25./31. Dezember
1. Januar, Faschingsdienstag
Besichtigung sind nur im Rahmen
einer Führung möglich. Dauer der Führung ca. 35 Minuten.
Insgesamt müssen 165 Stufen aufwärts und 181 Stufen abwärts
zurückgelegt werden.
Fremdsprachführungen werden
angeboten. |
Ab Parkplatz Hohenschwangau
verkehren Busse zum Aussichtspunkt "Jugend". Von dort sind es ca. 15 Gehminuten
650 m steil bergab zum Schloss Neuschwanstein (für Gehbehinderte und ältere
Personen nicht geeignet). Vom Aussichtspunkt Jugend sind es noch ca. 5
Gehminuten zur 90 m über der Pöllatschlucht gelegenen Marienbrücke mit sehr
schönem Blick zum Schloss und zum 45 m hohen Wasserfall.
Weitere Informationen:
Schlossverwaltung
Neuschwanstein
Neuschwansteinstraße 20
87645 Schwangau
Tel.: 08362/810
35
Fax: 08362/89 90,
www.neuschwanstein.com
|