Die Weserrenaissance ist
ein bedeutendes Phänomen der Baukunst des 16./17. Jahrhunderts in
Norddeutschland und hat im Weserraum auf beiden Seiten des Flusses ausgeprägte
Spuren hinterlassen. Zwischen Münden und Bremen, Bielefeld, Paderborn sowie in
Ahlfeld, Wolfsburg und Celle sind zahlreiche Schlösser, Rathäuser und
Patrizierhäuser erbaut worden, wobei sich die Region der oberen und mittleren
Weser als eine besondere Schatzkammer erweist. Zum großen Teil erhalten und
aufwendig restauriert, schmücken sie heute noch die Weserregion.
Renaissance
ist nicht nur ein Stil in Kunst und Architektur, sondern eine Geisteshaltung und
Weltanschauung, die das mittelalterliche Weltbild überwindet und den Beginn der
Neuzeit markiert. Der Baustil der
Weserrenaissance kann als Austausch der europäischen Kultur, als Spiegel des
Zeitgeistes einer ganzen Epoche, verstanden werden.
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Typische Merkmale sind die sogenannten Welschen Giebel, geschwungen nach dem italienischen Vorbild, die
Kerbschnitt-Bossensteine (Quader mit gleichförmigen, kerbenartigen Ornamenten),
Fächerrosetten (Halbkreise mit Fächerornamenten), Streifenputz (Putz in
rautenförmiger Schraffur), die reich
gegliederten Schau-Fassaden der zumeist giebelständigen Bürgerhäuser mit Voluten, Pyramiden,
Obelisken, Kugelbesatz, Diamantschnitt- und Kerbschnitt-Steinen, Schmuckleisten
mit Inschriften und Wappen, Masken und Neidköpfen und den eigenartigen
Stand-Erkern, den "Utluchten" (erkerartige, vom Erdboden
ausgehende Vorbauten). Die Malerei sowie die Herstellung von Glas und Keramik
waren weitere Ausdrucksformen der Weserrenaissance.
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Was veranlasste die "überhitzte Bautätigkeit" mit den Merkmalen der
Weserrenaissance in der Zeit von 1520 bis 1620 im Norden Deutschlands?
Es war die wirtschaftliche Konjunktur, von der Adlige und Bürgertum
gleichermaßen profitierten. Die Ursachen dieser wirtschaftlichen Blüte hingen
mit andauernden Agrarkrisen im Mittelmeerraum und den weltpolitischen
Auseinandersetzungen in Westeuropa zusammen. Das Gebiet der Oberweser war zur
Kornkammer geworden. Der Weseradel hatte es geschafft, Latifundien zu bilden, um
großräumige Landwirtschaft zu betreiben. Nun trug diese Entwicklung Früchte,
denn die Preise für Getreide stiegen überproportional um ca. 80% an, die Löhne
dagegen blieben stabil niedrig.
Viele Adlige waren aber auch Söldnerführer und konnten beachtliche Kriegsbeute
nach Hause an die Weser bringen. Willkommene Einnahmen um die Schlossbauten zu
finanzierten.
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Kaufleute und
Handelsherren profitierten von der Entwicklung ebenfalls. Es entstand ein
regelrechter Wettbewerb zwischen geistlicher und weltlicher Macht, weil alle
ihren Reichtum und ihre Macht durch prachtvolle Bauten demonstrieren wollten.
Mehr als 30 Baumeister der Renaissancearchitektur sind durch ihr Meisterzeichen
an den Bauten bzw. Aufzeichnungen in den Archiven bekannt. Sie kamen aus
Süddeutschland und den benachbarten Ländern und prägten die Prachtbauten der
Weserregion.
Eine weitere Voraussetzung für den Bauboom war das Baumaterial. Der Sandstein,
der an der Weser abgebaut wurde, war ein begehrter Baustoff in Nordwest- und
Nordeuropa. Steinbrüche gab es im Weserbergland und Umschlagplatz war Bremen. Von
hier wurde der Sandstein auf dem Seeweg exportiert, z.B. nach Antwerpen für das
Rathaus und das Schloss in Helsingör. Weil der Sandstein über Bremen verschifft
wurde, bezeichnete man ihn auch als "Bremer Stein".
Strasse der Weserrenaissance
Bei der Straße der Weserrenaissance handelt es sich um eine reine PKW-Route
mit einer Länge von etwa 400 Kilometern. Startpunkt ist die Stadt Hann. Münden
und Ziel ist Bremen. Wegen der Vielzahl der Bauten wurde die Route in drei Teile
geteilt. Der südliche Teil beginnt in Hann. Münden und endet in Höxter und
Blomberg. Der mittlere Teil startet in Blomberg und verläuft bis Hameln. Im
Norden ist der Startpunkt Hameln und den Endpunkt bildet die Hansestadt Bremen.
Die Besichtigungen der einzelnen Weserrenaissance-Bauten lassen sich in einer
geschlossenen Rundreise verknüpfen.
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Die Weserrenaissance prägte jedoch nicht nur die Bauten des Adels und des
Bürgertums (Patrizier), sondern erstreckte sich auch auf die Holzarchitektur der
Ackerbürger und Bauern jener Zeit. Daher formte die Epoche der Weserrenaissance
das Erscheinungsbild einer ganzen Landschaft. Die Weserrenaissance verkörperte
eine zeitgebundene Baugesinnung, die Adel, Bürger und Bauern als Bauherren
gleichermaßen durchdrang. Daraus wird deutlich, dass es neben der bedeutenden
mittelalterlichen Sakralbaukunst vor allem die Weserrenaissance ist, die mit
ihren bis heute erhalten gebliebenen Baudenkmalen auf eindrucksvolle Weise die
Einheit des Weserraumes als einer einzigartigen deutschen Kulturlandschaft
dokumentiert.
Schloss Brake in Lemgo ist das anerkannte Museum der Weserrenaissance. Das Schloss ist ein bedeutendes Architekturdenkmal, dessen Baugeschichte vom 12.
bis ins 19. Jahrhundert reicht. Das Museum befindet sich in den 1584-92 durch
den lippischen Grafen Simon Vl. ausgebauten Räumen und bietet auf 2000 m² einen
Überblick über verschiedene Aspekte von Kunst und Kultur der Renaissance in der
Weserregion.
Weitere Informationen:
Weserrenaissance-Museum
Schloss Brake
Schloßstraße 18
32657 Lemgo
Telefon 05261/94 50-0
Telefax 05261/94 50-50
weserrenaissance-Museum@t-online.de
www.wrm.lemgo.de
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