Die Geschichte um die unglückliche Schöne, die auf dem Felsen
hockt und traurige Lieder singt, ist bei weitem nicht so alt,
wie man vielleicht glauben mag. Sie hat sich nämlich erst im
19ten Jahrhundert gebildet.
Clemens Brentano
und, etwas später, Heinrich Heine sind ihre Schöpfer. Es ist
naturgemäß nicht so einfach, festzustellen welche Geschichten
sich vor ihnen um diesen Felsen rankten. Fest steht nur:
Sagenumwoben war er schon immer. Denn schließlich ist die
Loreley einer der auffälligsten und herausragenden Eckpunkte der
pittoresken, aber schwer zu befahrenen Gebirgsstrecke.
Von Bingen im
Süden bis kurz vor Koblenz im Norden zieht sich das schmale
steile Mittelrheintal. Der Fluss wird hier schneller, es gibt
Strudel, Sandbänke und scharfkantige Riffe. Besonders bei
Niedrigwasser muss diese Strecke in früheren Zeiten große
navigatorische Herausforderungen an die Schiffskapitäne gestellt
haben. Und für unzählige Schiffe dürfte dies die letzte Fahrt
gewesen sein. Denn in der schnellen Strömung im Falle eines
Falles noch gezielte Ausweichmanöver zu steuern ist früher fast
unmöglich gewesen. Kein Wunder also, dass sich um die
todbringende Strecke allerlei Legenden gerankt haben.
 |
In den
Ritzen des Felsen hausten angeblich Zwerge, Nymphen und
Berggeister, deren Stimmen man im Echo und im Rauschen des
Flusses zu hören glaubte. Im Jahr 1801 erscheint in einer
Ballade des romantischen Dichters Clemens Brentano der Name
Loreley erstmals als der einer Frau. Genau genommen heißt sie
hier Lore Lay, sie ist eine unglücklich verliebte Schöne aus
Bacharach, die alle Männer fasziniert.
In der Epoche der Romantik entstand
im 19. Jahrhundert der Mythos. Das Volk sprach von einem schönen
Mädchen oder auch von einer Meerjungfrau mit langen blonden
Haaren, die auf dem Loreley-Felsen saß und ihr Haar kämmte. Der
Gesang und das Aussehen dieser Jungfrau waren so schön, dass die
Schiffer von ihrem Weg abkamen und den Tod fanden - so erzählt
die Sage.
Die Sage von der Loreley
In der Loreleyhöhle, die der
Bornicher Gemeinde während dem 30jährigen Krieg als
Zufluchtsstätte diente und erst dem Tunnelbau 1863-68 zum
Opfer fiel, wohnte einst die Bergfrau "Loreley".
Geheimnisvoll verhallte die Stimme der anmutigen Fee im Echo
der Felskulissen. Unzählige Männerherzen ließ sie höher
schlagen und erbeben in seliger Wonne. Besonders, wenn die
Schroffwände der Ley in der Abendsonne glühten, oder die
Klippen in des Mondes gelber Beleuchtung sich aus den
strudelnden Salmwassern zu Füßen der Grottengebilde
widerspiegelten, war ihre lichte Gestalt auf den Bergzinnen
zu erkennen.
Mancher
Schiffmann, der ihre Nähe suchte, versank in dem Gewirr der
Brecher, ohne dass man seine Leiche je zu bergen vermochte.
Nur einige Fischern der Salmwooge im oberen "Fabian" und
unterhalb des "Teufelsitzes" schien sie zugetan. Ihre
nächtliche Fänge wurden so ergiebig, dass ihnen der
Wohlstand bereits nach wenigen Jahren erlaubte, die
ärmlichen Hütten am Rhein mit zwei- und dreistöckigen
Gebäuden in der großen Burgstraße zu tauschen. Habgierige
oder schwatzhafte Salmknechte, die über ihre Begegnung mit
der schönen Jungfrau plauderten, verließ jäh das Jagdglück
für immer. Doch so blieb die Gunst, die sie Begnadeten
erwies, kein Geheimnis.
 |
Der Ruf ihrer
anmutigen Schönheit drang weit über die Grenzen des
mittelrheinischen Landes hinaus. Auch der junge Erbgraf von
der Pfalz erfuhr von der wonnesamen Huld, die manchen
Schützling zuteil wurde. Von unnennbarer Sehnsucht erfasst,
verließ der Jüngling heimlich die Obhut des väterlichen
Hoflagers, um die Liebe der schönen Loreley zu gewinnen. In
ihr Zauberreich steuerten ihn gleichaltrige Schiffer. Als
das Abendrot verging und die ersten Sterne am Himmel
funkelten, erreichte das gräfliche Fahrzeug die gigantische
Schlucht unterhalb der "Sieben Jungfrauen".
Im Banne eines
wundersamen Gesanges, der in den Felskulissen widerhallte,
gewahrten sie die liebreizende Erscheinung der Loreley über
der steilsten Gesteinswand. Ungestüm trieb der Junggraf die
Ruderknechte zum Landen. Nun trennten sie nur noch wenige
Schrittlängen vom Geröllufer. Doch alle starrten empor. Da
erlahm ihre Kraft an den Riemen. Der Steuermann vergaß seine
Pflicht. Führerlos schwankte der Nachen zu Tal. In jäher
Ungeduld sprang der Erbgraf von Bord und verschwand mit dem
Aufschrei " O Loreley!" in dem Sog der Strudel.
 |
Nachdem der
Pfalzgraf von den heimkehrenden Gefährten seines Sohnes
dessen Ende erfahren, befahl er, die Verderberin seines
Erben zu fangen. Am gleichen Abend nahte ein pfalzgräflicher
Hauptmann mit rachwütigen Kriegsleuten dem Gestade der
Loreley, die sie dort in den gespenstigen Schleidern der
Steilwand erspähten. Bald war der Berg umstellt und der
Hauptmann erstieg mit den Kühnsten das Felsmassiv. Auf
vorspringender Kuppe gewahrten sie die Zauberin wieder.
"Heidenweib, jetzt musst du deine Untaten büßen!" schrie der
Anführer, als er der Unholdin den Weg zur Grotte versperrte.
"Das steht nicht bei dir!" rief die Bedrängte. Sie warf ihr
Perlengeschmeide in die Flut und ihre Stimme schrillte über
das Wasser:
"Vater, geschwind, geschwind!
Die wilden Rosse schick deinem Kind!
Es will reiten mit Wogen und Wind!"
Sturzwellen
erhoben sich felshoch gleich rasenden Strandbrechern und
trugen die Fee fort in das Grau der abendroten Dünste, bis
sie entschwand. Totenstille war es über den brausenden
Wogen. Seit diesem Begebnis war die Loreley nicht mehr zu
sehen. Nur im vielfältigen Echo verhöhnt sie die Rufer am
Fels, wo der Teufel einst die gewaltigen Rundungen seiner
Sitzflächen zurückließ.
|
Noch
immer lassen sich die Menschen gerne von einer "schönen Zauberin" faszinieren,
auch wenn der Grund ein anderer ist. War es damals der Gedanke der romantischen
Bewegung, so ist es heute ein individuelles Gefühl, das wir auch romantisch
nennen. Und auch heute noch ist die Frauengestalt Loreley genauso wie damals
untrennbar mit dem Mittelrhein verbunden - und umgekehrt.
|